Mordprozess gegen Gu Kailai Einblick ins System der "Prinzlinge"

PEKING · Noch 2004 warnte Xi Jinping in einer Rede: "Haltet eure Ehepartner, Kinder, Verwandte, Freunde und Mitarbeiter im Zaum und gelobt, nicht die Macht zur persönlichen Bereicherung zu nutzen." Ende Juni berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg: Allein die Familie des künftigen chinesischen Staatsoberhaupts verfüge über ein Vermögen von rund 380 Millionen Dollar.

 Gefallene Granden: Chinas ehemaliger Handelsminister Bo Xilai (r.) und seine Frau Gu Kailai im Jahr 2007 bei einer Gedenkzeremonie für Bos Vater Bo Yibo, einem legendären Revolutionär.

Gefallene Granden: Chinas ehemaliger Handelsminister Bo Xilai (r.) und seine Frau Gu Kailai im Jahr 2007 bei einer Gedenkzeremonie für Bos Vater Bo Yibo, einem legendären Revolutionär.

Foto: ap

Dass die Parteigranden in China im Reichtum schwelgen, dicke Limousinen fahren, ihre Kinder auf Eliteschulen ins Ausland schicken und ihre Verwandten mit hohen Posten versehen, überrascht in China kaum jemand. All das hatte schon unter den Mandarinen im alten China Tradition. Doch dass Mitglieder der Führungsspitze gigantische Summen skrupellos ins Ausland transferieren - das empört die chinesische Öffentlichkeit dann doch.

Der Skandal um den einstigen Spitzenpolitiker Bo Xilai und seine Frau Gu Kailai hat die chinesische Führung in die schwerste Krise seit 20 Jahren gestürzt. Denn der Fall offenbart: Die Führungskader selbst vertrauen nicht mehr dem von ihr geführtem Staat. Wahrscheinlich über Jahre hatte ein britischer Geschäftsmann das Vermögen der Familie Bo ins Ausland geschafft.

Als dieser im November vergangenen Jahres Bos Gattin Gu Kailai erpressen wollte, vergiftete sie ihn. Vergangene Woche stand sie wegen Mords vor Gericht. Das Urteil soll am Montag verkündet werden.

Dieser Fall gibt der chinesischen Öffentlichkeit Einblick in das korrupte System bis nach ganz oben. Und die Bos und Xis sind bei weitem nicht die einzigen. In seinem Buch "Die Partei" beschreibt der langjährige China-Korrespondent der "Financial Times", Richard McGregor, dass sämtliche zwei Dutzend Mitglieder des Politbüros unter den 500 reichsten Chinesen gelistet sind.

Das Hongkonger Magazin "Dongxiang" zitiert aus einer Umfrage der Kommunistischen Partei, aus der hervorgeht: Von den 204 Mitgliedern des Zentralkomitees der KP haben 91 Prozent Familienmitglieder, die im Ausland leben oder die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes besitzen.

Selbst die Familie des amtierenden Premierministers Wen Jiabao steht dem in nichts nach. Seine Frau Zhang Peili gehört zu den reichsten Frauen Chinas. Sie war viele Jahre lang die Vizepräsidentin der Chinesischen Juwelier Vereinigung und hatte lange Zeit als einzige das Recht, mit Gold zu handeln. Zugleich war sie Chefin der Beijing Diamond Jewelry, der größten Juwelierkette im Land. Über diesen Handel hat sie ein Vermögen gemacht.

Dass so viele Angehörige der Partei-Aristokratie in einflussreichen Posten sitzen und ungeheure Vermögen angehäuft haben, kommt nicht von ungefähr. Die guten Beziehungen reichen bis in ihre Kindheit zurück. Viele der heutigen Machthaber sind die Sprösslinge von einst einflussreichen Gründern der Kommunistischen Partei. Sie werden deswegen auch "Prinzlinge" genannt.

Bo Xilai etwa war der Sohn von Bo Yibo, einer der "acht Unsterblichen" der Partei. Auch Xi Jinping stammt von einflussreichen Eltern ab. Sie alle sind in sogenannten Dayuans aufgewachsen, abgesperrte schon damals luxuriöse Viertel im Westteil von Peking. Sie hatten schon viele Jahre vor Marktöffnung Zugang zu westlichen Waren, waren auf der "5. Mittelschule". Und wenn sie krank wurden, ging es in das renommierte Militärkrankenhaus "301".

Mit der Dekadenz in den höchsten Parteispitzen wollte der noch amtierende Staatspräsident Hu Jintao eigentlich aufräumen. Angefangen werden sollte mit der jährlichen Klausurtagung der Parteispitze im Luxusbadeort Beidaihe. Dieses Treffen wollte Hu nicht mehr. Kaum 2003 als Präsident im Amt, verfügte er, mit dieser Tradition zu brechen.

Aber auch davon ist keine Rede mehr. Im Gegenteil: Die Parteibonzen halten sich auch weiter ihre exklusiven Villen vor einem abgesperrten Parteistrand. Und in diesem Sommer zog sich die chinesische Führung das erste Mal nach neun Jahren ganz offiziell wieder in den Badeort zurück. Es gibt ja einiges zu besprechen.

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