Die Stimmung bei den Wahlpartys in Rheinland-Pfalz Dreyers Höhenflug, Klöckners Debakel

MAINZ · Stimmungs-Achterbahn in Mainz: SPD in Sektlaune, CDU mit Wahlkater. Und die Liberalen sind wieder dabei.

 Um Haltung bemüht: CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner gesteht in Mainz ihre Niederlage ein.

Um Haltung bemüht: CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner gesteht in Mainz ihre Niederlage ein.

Foto: dpa

Das Kurfürstliche Schloss ist der Ort des Frohsinns in Mainz schlechthin. „Narhallamarsch“, „Humba humba täterä“, oder „Am Rosenmontag bin ich geboren“ – die Hits der Mainzer Fastnacht sind von hier zu deutschlandweiten Gassenhauern geworden. An diesem Abend aber herrscht hier, wo die CDU ihre Wahlparty und ihre Spitzenkandidatin Julia Klöckner feiern wollte, tiefe Trauer. Bei der Prognose um 18 Uhr ist es mucksmäuschenstill. Zu hören ist nur ein einziges Wort: „unglaublich“. Zuerst, als der Balken der SPD auf 37,5 Prozent steigt, dann wieder, als jener der CDU bei 32,5 Prozent hängenbleibt und noch mal, als die AfD auf 11 Prozent steigt.

„Ich dachte, in Rheinland-Pfalz ist man nicht so rechtslastig“, sagt Leni Thelen, die in einem Kabinett Klöckner Sozialministerin werden sollte, dem GA. Seit 20 Jahren sitzt sie im Landtag. „Mir steht Opposition bis hier“, sagt Thelen und zeigt auf ihre Oberlippe. Doch einigen sich SPD und Grüne mit der FDP auf eine Ampel, werden es für Thelen und die ganze CDU fünf weitere Jahre in der Opposition.

Jubel und Freude pur dagegen bei der SPD. Ein strahlendes Gesicht neben dem anderen. Sogar der erste SPD-Ministerpräsident im Land, Rudolf Scharping, ist zum Feiern gekommen. Und auch Landesvize Hendrik Hering, den Malu Dreyer vor knapp zwei Jahren aus seinem Amt beförderte, weil er als Landeswirtschaftsminister zu sehr in den Nürburgring-Skandal verstrickt war. Gewinnen verbindet. Als Ministerpräsidentin Dreyer um 18.36 Uhr mit großem Gefolge in den kleinen Fraktionsraum einzieht, jubeln die Genossen und rufen im Chor „Malu, Malu, Malu“.

„So sehn Sieger aus“

„Liebe Genossinnen und Genossen“, beginnt sie. Doch weiter kommt sie nicht: „So sehn Sieger aus“, schallt es durch den Raum. Dreyer versucht es noch einmal: Sie spricht von der „tollen SPD, einem tollen Team und einem wunder, wunderbaren Abend“. Und was singen die Genossen da? „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Die Mainzer Hofsänger hätten es kaum besser hingekriegt.

Ein wenig am Rande steht Carsten Pörksen. Er gilt als Entdecker der Politikerin Malu Dreyer. „Dieser Sieg macht mich stolz“, sagt er dem GA, „das ist der krönende Abschluss meiner 25 Jahre im Landtag.“ Wird die Ministerpräsidentin weitere fünf Jahre machen? „Ja, ihre Gesundheit hat sich stabilisiert, ich hab da keinen Zweifel.“ In der CDU waren Stimmen laut geworden, Dreyer werde nach zwei Jahren das Amt abgeben.

SPD-Landeschef Roger Lewentz ist auf die provisorische Bühne getreten und zieht über die CDU her. „Es war richtig, dass wir in unseren Räumen feiern, wir brauchen kein Schloss.“ Derweil spricht Klöckner zu ihren Parteifreunden in einem Seitentrakt des Schlosses. „Ein Ziel haben wir erreicht“, fängt sie an, „dass nämlich Rot-Grün abgewählt worden ist. Das rot-grüne Lager hat weniger Stimmen als 2011.“ Was einen Genossen zu dem Spruch verleitet: „So sehen schlechte Verlierer aus.“

Klöckner hat verloren

In der Tat: Klöckner hat verloren, sogar schlechter abgeschnitten als der ungeliebte CDU-Spitzenmann Christoph Böhr vor zehn Jahren. Die Landesthemen seien im Wahlkampf zu kurz gekommen, sagt sie. Über persönliche Konsequenzen will sie an diesem Abend nicht reden. Womöglich hat die CDU ja noch eine Regierungschance – nämlich dann, wenn Jamaika nicht zustande kommt.

Dreyers Präferenz erscheint aber klar. „Mein Ziel ist eine stabile Regierung“, sagt die Ministerpräsidentin in der Runde der Spitzenkandidaten und fügt hinzu, sie werde erst mit den Grünen reden, aber auch mit anderen. Eine große Koalition könne nur die ultima ratio sein. „Es ist nicht im Sinne der Demokratie, dass sich die Großen zusammentun“ sagt sie.

Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke freut sich, dass Dreyer mit ihr weiterarbeiten will. Das ist aber auch das einzige, worüber sie sich freuen kann. „Wir sind tief enttäuscht“, sagt die Wirtschaftsministerin. Ihre Erklärung: „Wir konnten unsere Themen Klima, Energie, Integration nicht rüberbringen.“ Bis zum späten Abend ist es für die Grünen eine Zitterpartie. Vor dem Kulturclub „Schon schön“ ist diese Stimmung greifbar. Da steht zum Beispiel Nils Wiechmann, 2001 in den Landtag gekommen, 2006 rausgeflogen, 2011 wieder reingekommen – und nun? „Bitte jetzt nicht“, antwortet er dem GA auf die Frage nach einem Statement. Daniel Köbler kommt raus, früher war er Mitarbeiter Wiechmanns, jetzt ist er Fraktionschef. Beide nehmen sich in den Arm. Es sieht so aus, als hätte Köbler Tränen in den Augen.

Lächelnd zieht FDP-Landeschef Volker Wissing durch die Wahlstudios. Er hat die Liberalen wieder in den Landtag geführt. Wird er sie vielleicht sogar in die Regierung führen? „Wir werden für Ämter nicht unsere Überzeugungen opfern“, sagt Wissing. Über eine mögliche Ampel will er noch nicht reden. AfD-Landeschef Uwe Junge spricht von einem „großartigen Ergebnis“. Der Wahlkampf sei „aufgrund der persönlichen Anfeindungen“ gegen Vertreter seiner Partei nicht einfach gewesen. Und die Linke, die vor Wochen noch über fünf Prozent lag? Von denen spricht keiner mehr. In den Wahlrunden ist Landeschef Jochen Bülow nicht dabei. Auch für ihn ist es ein trauriger Abend.

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