Erfolg in der Nachspielzeit Die SPD jubelt über sich selbst

BERLIN · Daniela Barke hat die Nacht kaum geschlafen und ihren Dienst um fünf Uhr morgens angetreten. Freiwillig. Es ist ein Dienst an ihrer Partei, der SPD. Barke macht an diesem Morgen, was früher Hunderte von Bediensteten in diesem ehemaligen Postbahnhof getan haben, der heute "Station" heißt. Sie sortiert Briefe vor. Es gibt Boxen für Ja, für Nein und für Enthaltung. Die Boxen mit den Ja-Stimmen füllen sich schnell. Barke tippt auf ein Verhältnis von 80:20 oder 70:30.

 Auszählhelfer jubeln bei der Verkündung des Ergebnisses.

Auszählhelfer jubeln bei der Verkündung des Ergebnisses.

Foto: dpa

Nur eine Stunde nach Dienstantritt ahnen Barke, Mitglied im SPD-Unterbezirk Hannover, und die Sortierer an den Nachbartischen bereits, was Barbara Hendricks, Vorsitzende der Mandatsprüfungs- und Zählkommission, knapp neun Stunden später um 14.57 Uhr quasi amtlich, weil von einem Notar bestätigt, verkünden kann: Die Mitglieder der SPD haben mit Dreiviertel-Mehrheit dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zugestimmt. Mit 75,96 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen gibt die SPD-Basis grünes Licht für den Eintritt in diese dritte große Koalition der Nachkriegszeit.

Barke sagt, sie habe sich um den Job als freiwillige Helferin für die Auszählung des SPD-Mitgliedervotums beworben, "einfach, um dabei zu sein". SPD-Chef Gabriel hat zuvor diesen Tag als gewissermaßen historisch beschrieben, denn dieses Datum 14. Dezember 2013 werde nicht nur in die Geschichte der Sozialdemokratie eingehen, sondern auch in die Geschichte des Landes.

[kein Linktext vorhanden]Jedenfalls sei die SPD jetzt "die Beteiligungspartei" in Deutschland, wobei er den Artikel "die" wie ein Alleinstellungsmerkmal betont. Das ist viel Pathos für ein Mitgliedervotum, über dessen Ergebnis Basismitglied Barke schließlich sagen wird, sie selbst habe gleichfalls mit Ja gestimmt, denn damit habe die SPD wenigstens "den Spatz in der Hand". Außerdem habe sie auch aus "Verantwortung für die Ortsvereine" dieser großen Koalition, die jetzt überall "GroKo" gekürzelt wird, ihren Segen gegeben. "Bei Neuwahlen wären wir finanziell am Ende gewesen", erzählt Barke von ihrem eigenen Ortsverein.

Um 14.33 Uhr jedenfalls ist in der "Station" ein erstes rhythmisches Klatschen der 400 freiwilligen Helfer zu hören. Der Applaus gilt nicht den Chinesen, die es gerade als dritte Nation auf den Mond geschafft haben, wie Nachrichtagenturen melden. Nein, er gilt der Bodenstation der SPD. Die Basis hat gesprochen: Ja zu Schwarz-Rot. Um 14:40 Uhr klatschen die Helfer erneut. Jetzt minutenlang.

Dann kommen Gabriel und Co. Siegesstimmung. Fast wollte man fragen: Wer hat eigentlich die Wahl gewonnen? Die SPD mit 25,7 Prozent? Oder die Union mit 41,5 Prozent? Gabriel wird nachher sagen, in den 36 Jahren, denen er nun der SPD angehöre, sei seine Partei "nie so politisch" gewesen wie in den vergangenen Wochen und er sei "lange nicht mehr stolz gewesen, Sozialdemokrat zu sein". Zu Personalien äußert er sich nicht.

Einen Tag später, der SPD-Vorstand hat gerade einstimmig die Kabinettsliste gebilligt, stehen die künftigen SPD-Minister mit Gabriel an der Spitze im Foyer des Willy-Brandt-Hauses. Heiko Maas (Justiz und Verbraucherschutz), Andrea Nahles (Arbeit und Soziales), Barbara Hendricks (Umwelt und Bauen), Manuela Schwesig (Familien, Senioren, Frauen und Jugend), Frank-Walter Steinmeier (Außenamt), Aydan Özoguz (Staatsministerin im Kanzleramt für Migration, Flüchtlinge und Integration), der designierte Fraktionschef Thomas Oppermann sowie Gabriel als Superminister für Wirtschaft und Energie(wende).

Gabriel spricht nochmal von einem "stolzen Tag in der SPD-Geschichte". Sie genießen ihn sichtlich. Und in beinahe allen Gesichtern ist Zufriedenheit und Stolz zu sehen, wenn man Oppermann ausnimmt. Er wäre sehr gerne (Innen-)Minister geworden und muss an die Fraktionsspitze. Gabriel hebt ihn besonders hervor. Er sei "sehr dankbar", dass die Fraktion mit Oppermann "von einer erfahrenen Person geleitet und gemanagt" werde. Fraktionschef im Bundestag sei nun einmal die "zweitwichtigste Funktion nach Parteichef". Ob Oppermann dies tröstet?

Am Rande steht Ralf Stegner. Der Parteilinke aus Schleswig-Holstein war als neuer Generalsekretär gehandelt worden. Doch Gabriel habe mit Stegner "großes Einvernehmen" erzielt, diesen Posten einer Frau zu überlassen, die jetzt gesucht werde. Stegner bekommt trotzdem noch ein Bonbon. Er soll nachträglich als weiterer, dann sechster Stellvertreter von Parteichef Gabriel aufgewertet werden, zu wählen bei einem Sonderparteitag am 26. Januar.

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