Die NATO will ihr Gebiet gegen Angriffe mit Flugkörpern sichern

MÜNCHEN · Im März werden NATO-Experten in Ottobrunn bei München eine spannende Übung abhalten: Was tun, wenn feindliche Raketen im Anflug auf Bündnis-Gebiet sind? Wer muss was genau machen, um die Flugkörper noch in der Luft auszuschalten?

Bei der Simulation werden die NATO-Vertreter nicht unter sich sein: Auch russische Fachleute haben sich angesagt. Schließlich ist das westliche Bündnis mit Moskau im Gespräch, ob und wie man sich gemeinsam gegen die Raketen-Bedrohung schützten könnte. Das Problem: Die Russen sind zwar sehr interessiert - sie haben aber grundsätzlich völlig andere Vorstellungen als die Allianz.

Das Thema hat eine lange Geschichte. Wenn man will, kann man den Beginn bis in den Zweiten Weltkrieg zurückverfolgen, als Nazi-Deutschland zum ersten Mal die V-2-Rakete zum Einsatz brachte. Vor drei Jahrzehnten erregten die "Star-Wars"-Pläne des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan die Gemüter.

Nach Auskunft von NATO-Fachleuten sind die Chancen mittlerweile sehr hoch, eine ballistische - also ohne eigenen Antrieb fliegende - Rakete mit einem "kill vehicle" zu zerstören, bevor sie den Boden erreicht. Die Kommandozentrale für den Raketenschild soll auf der US-Airbase im pfälzischen Ramstein angesiedelt werden.

Über die Raketen selbst verfügen längst nicht mehr nur die großen Militärmächte. Als besonders beunruhigend gelten Nordkorea und Iran mit ihren Arsenalen. Die NATO-Bemühungen um einen Raketenschild sind mehr oder weniger offiziell gegen Iran gerichtet.

"Es geht um eine in Europa stationierte Raketenabwehr gegen Bedrohungen aus dem Nahen Osten, insbesondere des Irans", sagt etwa Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière. Das System soll bis 2020 ganz Europa sowie einen Zipfel Nordafrika und den Nahen Osten schützen. Die NATO will dabei keine eigenen Komponenten bereitstellen, sondern nur das Netzwerk, damit die Radarstationen und Abfangkörper der Verbündeten nahtlos zusammenwirken können.

Was an "Sensoren und Effektoren" im Moment bereitsteht, ist ausschließlich US-Gerät. Die größeren Bündnispartner wie Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland überlegen noch, was sie später an Hardware beisteuern können, damit aus dem derzeitigen "US-System mit NATO-Beistellung ein NATO-System mit US-Beistellung" wird. Auf dem Chicago-Gipfel im Mai will das Bündnis die erste Etappe abschließen.

Auf dem letzten Spitzentreffen 2010 in Lissabon hatte die NATO Russland zur "Kooperation im Geiste der Wechselseitigkeit, höchster Transparenz und gegenseitigen Vertrauens" eingeladen. Daraus ist indes nicht viel geworden. Nach wie vor sieht Moskau in den Plänen des Westens einen Versuch, das russische Nuklear-Arsenal zu entwerten und um die Möglichkeit zum wirksamen Zweitschlag zu bringen. Das müsse durch bindende Verträge ausgeschlossen werden, heißt es.

Außerdem wollen die Russen ihre eigenen Fähigkeiten und die der NATO zu einem echten Verbundsystem zusammenschließen. Die NATO ist jedoch nur zur Kooperation - Datenaustausch, Planungsabgleich, gemeinsame Übungen - bereit. Dass die Kluft bis zum Gipfel im Mai überbrückt werden kann, gilt als extrem unwahrscheinlich: Russland wie die USA stecken im Wahlkampf, das macht die Kompromiss-Spielräume allzu eng.

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