Kleiner Parteitag Die Grünen entscheiden über die Urwahl

BERLIN · Die Grünen haben ein schönes Projekt. Es heißt "fifty-fifty". 50:50. "Wer rupft ein Hühnchen mit Renate?", heißt es provokant in der Kampagne, mit der die Partei den Frauenanteil ihrer Mitglieder von aktuell rund 38 Prozent auf 50 Prozent steigern will. Oder: "Wer sägt an Jürgens Stuhl?"

Mit Renate ist selbstredend Bundestags-Fraktionschefin Renate Künast gemeint, und auf Jürgens Stuhl sitzt selbstverständlich Co-Fraktionschef Trittin. Kann gut sein, dass Trittin demnächst ein Hühnchen mit Künast rupft. Oder mit Parteichefin Claudia Roth. Oder mit Katrin Göring-Eckardt, der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Denn die Grünen haben, wenn sie sich an diesem Sonntag in den Uferstudios in Berlin zum Länderrat, ihrem kleinen Parteitag, treffen, eine wichtige Angelegenheit zu klären. Solle ihr Spitzenduo für die Bundestagswahl 2013 von den gegenwärtig 59 250 Mitgliedern per Urwahl bestimmt werden - oder eben nicht? Die Tendenz geht nach Einschätzung der Politischen Bundesgeschäftsführerin, Steffi Lemke, eindeutig in Richtung Urwahl.

Der Bundesvorstand legt denn auch den rund 80 Mitgliedern des Länderrates einen Antrag vor, das Spitzenduo für die Wahlauseinandersetzung im kommenden Jahr nach einem solchen Verfahren zu küren. Gegenwärtig sind sechs Frauen und Männer im Rennen, deren Interesse die Parteioberen sicherheitshalber noch einmal abgefragt haben. Denn würde sich das Kandidatenfeld mit am Ende nur noch zwei Bewerbern lichten, erübrigte sich auch eine Urwahl.

Doch alle sechs halten bislang an ihrer Kandidatur fest. Neben Künast, Trittin, Roth und Göring-Eckardt wollen noch der Werbegrafiker Werner Winkler aus dem Kreisverband Rems/Murr und der Speditionsprokurist Franz Spitzenberger aus dem Kreisverband Oberallgäu ins basisdemokratische Kandidatenrennen einsteigen.

Zwei aus sechs werden also gesucht. Vielleicht steigt die Zahl der Bewerber noch. Zwischen 10. und 16. September müssen alle Kandidatinnen und Kandidaten ihre Bewerbung schriftlich eingereicht haben, die dann im Internet veröffentlicht und allen Grünen-Kreis- und Ortsverbänden zur Verfügung gestellt wird. Nicht ohne Stolz sagt Bundesgeschäftsführerin Lemke, die Grünen seien die erste Partei in Deutschland, die ihre Spitzenkandidaten in einem basisdemokratischen Verfahren bestimme, dessen Ergebnis auch bindend sei. Allerdings hält Lemke eine Lösung der Führungsfrage für dringend: "Meine Einschätzung ist, dass ungelöste Führungsfragen und ungelöste Struktur- und Machtfragen lähmen."

So werden die Grünen eine dieser Fragen vermutlich in einer Urwahl klären. Mit der parteieigenen Besonderheit, dass das Grünen-Spitzenduo für die Bundestagswahl "mindestquotiert" sein muss. Das heißt, mindestens einer der beiden Spitzenplätze bei den Grünen muss mit einer Frau besetzt sein, es können aber auch zwei Frauen auf die Plätze eins und zwei gewählt werden.

Umgekehrt geht das für die männlichen Bewerber - siehe "Mindestquotierung" mit einer Frau - nicht. Sollten also bei der Urwahl zwei Männer die meisten Stimmen der Mitglieder bekommen, wäre der Mann mit der niedrigeren Stimmzahl aus dem Rennen. Und: Nach der Urabstimmungsordnung darf jedes Grünen-Mitglied seine beiden Stimmen nicht ausschließlich auf Männer verteilen. Am liebsten also 50:50. Und wenn noch so viele Hühnchen gerupft werden.

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