Kommentar zum Brexit Die EU übernimmt die Regie

Meinung | Brüssel · Mit den jüngsten Entwickelungen im EU-Austritt Großbritanniens führt die Europäische Union wieder Regie, kommentiert Detlef Drewes. Die Union habe Entschlossenheit demonstriert.

Die Briten haben auf dem Weg zum Brexit viel verloren. Noch vor drei Jahren, als sich eine denkbar knappe Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union ausgesprochen hatte und von neuer Eigenständigkeit und Stärke träumte, hätte sich niemand das Bild dieses Brüsseler Gipfelabends am Mittwoch vorstellen können. Hier eine britische Premierministerin, die nach der Pfeife der 27 übrigen Staats- und Regierungschefs tanzen musste, die vor die Türe geschickt wurde, weil man ohne sie weiter beriet; dort die EU-Staatenlenker, die nach Belieben diktierten, welche Auflagen und Fristen sie setzen.

Eine Runde, die angeführt wurde von zwei Gegenspielern, die mit verteilten Rollen agierten: Auf der einen Seite die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei den Verhandlungen nicht müde wurde, für faire Regelungen zu kämpfen, um auf die Briten einzugehen. Auf der anderen Seite der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der einen harten Kurs fuhr, nur eine kurze Schonfrist gewähren wollte und als Schutzengel der Europäischen Union auftrat. Er bangte um deren Funktion, sollten die Briten auch im neuen Europaparlament wieder vertreten sein und wichtige Personal- und Sachentscheidungen mitbestimmen können.

Man mag diese Rollenverteilung – und nichts anderes war es – als Anzeichen für ein Aufbrechen von Fronten interpretieren. Tatsächlich ging es wohl viel mehr um eine Machtdemonstration der Europäischen Union, die beide Pole zu vereinigen in der Lage ist – und die den Briten die Regie über den Austrittsprozess längst entrissen hat. Dass am Ende ein typischer Brüsseler Kompromiss stand, ist richtig. Aber die Union hat das gezeigt, was man früher oft bei ihr vermisste: Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit.

Das war wenige Wochen vor den Wahlen zum Europaparlament bitter nötig, auch wenn man zweifeln darf, ob diese Klarheit den Wähler noch erreicht. Der hätte sich die Fähigkeit zu ehrgeizigen Kompromissen sicherlich schon früher gewünscht, um für populistisch-verzerrende Halbwahrheiten keinen Platz zu lassen.

Ob es sich um einen wirklichen Aufbruch hin zu einer nicht länger stagnierenden und unentschlossenen EU handelt, wird man in wenigen Tagen sehen können, wenn sich die Staatenlenker Anfang Mai im rumänischen Sibiu wiedersehen, um ihr europäisches Eheversprechen zu erneuern. Kurz vor dem Urnengang, wenige Tage vor der Volksabstimmung über diese EU, an der so viel hängt.

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