Kommentar zum Angriff auf ein Flüchtlingslager in Libyen Die EU trägt Mitschuld

Meinung | Istanbul · Bei einem Luftangriff auf das Camp Tadschura bei Tripolis wurden Dutzende Zivilisten getötet und verletzt. Auch bei den Bemühungen, das blutige Chaos in Libyen zu beenden, gibt Europa kein gutes Bild ab, kommentiert unser Autor.

Die EU trägt eine Mitschuld an dem Tod von mehr als 40 Flüchtlingen beim Luftangriff auf ein Internierungslager in Libyen. Europäische Länder schicken Flüchtlinge mitten in einen Bürgerkrieg zurück und streiten sich untereinander um Einfluss in Libyen, den Blick fest auf die Ölvorkommen in dem nordafrikanischen Land gerichtet. Schutzlose Menschen zahlen dafür die Zeche dieses zynischen Spiels. Europa verfolgt das Ziel, möglichst viele Flüchtlinge auf dem Weg aus Libyen nach Italien von der Küstenwache des nordafrikanischen Landes abfangen zu lassen. Was danach mit den Menschen geschieht, ist für sie offenbar Nebensache.

Jetzt zeigt sich, dass die Rückführung aus Europa geradewegs in den Tod führen kann. Auch bei den Bemühungen, das blutige Chaos in Libyen zu beenden, gibt Europa kein gutes Bild ab. Italien, das mit der Festnahme der deutschen Kapitänin Carola Rackete seinen Widerstand gegen die private Seenotrettung demonstrierte, stützt die libysche Regierung in Tripolis. Frankreich dagegen steht hinter Rebellenkommandeur Haftar, dem Gegner der Regierung, der möglicherweise den Luftangriff auf die Flüchtlinge zu verantworten hat.

Aus Eigeninteresse wollen beide EU-Länder eine Stabilisierung Libyens, damit der Flüchtlingsstrom nach Europa gestoppt und die Ölindustrie des Landes gewinnbringend ausgebaut werden kann. Doch ihre Rivalität trägt dazu bei, den Krieg zu verlängern. Die UNO ist hilflos, die Akteure aus Europa und auch aus Nahost sind auf die eigenen Vorteile aus, und ein Retter ist nicht in Sicht. Die Lage für die Menschen in Libyen dürfte eher schlimmer als besser werden.

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