Flüchtlingskrise „Die einen Kommunen verdienen, andere zahlen drauf“

Bad Honnef/Düsseldorf · Bürgermeister kritisieren, dass die Flüchtlingskosten in NRW ungerecht verteilt sind. Nun hat das Land Änderungen zugesagt. Die helfen den Kommunen aber nur bedingt.

Ende vorigen Jahres war es, als sich die Kommunen landauf, landab mit den immer neuen Flüchtlings-Zuweisungen konfrontiert und sich selbst an der Belastungsgrenze sahen. Da waren es immer wieder die Ehrenamtlichen, auf die sich die Verwaltungen verlassen konnten, wenn es darum ging, Flüchtlinge aufzunehmen und zu betreuen. Auch in Bad Honnef.

„Wir haben ein tolles Bürgerengagement“, sagt Otto Neuhoff, der parteilose Bürgermeister. Im Gespräch mit dem GA nennt er beispielhaft die Kirchen, die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas und die Tafel, die geholfen hätten, wo sie nur konnten, als die Stadt „im Notfallmodus“ gewesen sei.

Umso ärgerlicher wird Neuhoff, wenn er auf die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung zu sprechen kommt. „Es gibt Kommunen, die daran verdienen und andere, die draufzahlen“, sagt Neuhoff. So würden Städte Geld dafür bekommen, dass Flüchtlinge auf ihrem Gebiet untergebracht werden, doch in Wirklichkeit leben diese gar nicht in Einrichtungen der Kommunen, sondern in Erstaufnahmeeinrichtungen, die Kommunen dem Land zur Verfügung stellen – und deren Kosten vor allem vom Land getragen werden. Hiervon würden vor allem große Städte profitieren. Aber auch manche kleinere.

Konkret für Bad Honnef, das keine Erstaufnahmeeinrichtung hat, bedeutet das: Die Stadt erhält vom Land für dieses Jahr rund 3,2 Millionen Euro ausgezahlt für die vom Land zugewiesenen Flüchtlinge. „Das sind 7000 Euro pro Flüchtling“, hat Neuhoff ausgerechnet.

Das Land hatte allerdings angekündigt, dass es den Kommunen 10 000 Euro pro Flüchtling zukommen lassen werde. Die tatsächlichen Kosten, so der Bürgermeister, betrügen hingegen 11 000 Euro je Flüchtling. Schließlich müsse die Stadt etwa Wohnungen bereitstellen, Sozialleistungen zahlen und für die ärztliche Versorgung aufkommen.

Da kommt das Prinzip der Erstaufnahmeeinrichtungen ins Spiel. Ein Beispiel aus dem Kreis Soest, nördliches Sauerland: In Rüthen etwa – einer Stadt mit gut 10 000 Einwohnern – betreibt das Land eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 500 Flüchtlingen. Diese werden mit einer bestimmten Quote auf den Verteilschlüssel angerechnet, sodass Rüthen selbst nur noch rund 40 Flüchtlinge aufnehmen und versorgen muss. Für die ungefähr 500 Flüchtlinge in der Landeseinrichtung müsse die Stadt zwar auch Mehrkosten aufbringen, zum Beispiel für zwei zusätzliche Mitarbeiter im Ordnungsamt, sagt Bürgermeister Peter Weiken.

Doch mit der Komplettbetreuung in Nachbarkommunen sei der Aufwand nicht zu vergleichen. Streng genommen erhält Rüthen für jeden seiner etwa 40 Flüchtlinge 39 000 Euro. Das versteht selbst der Bürgermeister nicht: „Das ist eigentlich so nicht gerecht. Der Fehler liegt beim Land“, sagt Weiken.

Das sieht das Land anders. Mit der Anrechnung der in den Landeseinrichtungen untergebrachten Flüchtlingen auf die kommunale Aufnahmequote sei ein Anreiz geschaffen worden, „damit Kommunen Landeseinrichtungen auf ihrem Gebiet akzeptieren“, erklärt das Innenministerium. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Kommunen sei trotzdem gewahrt.

Das sieht der Bad Honnefer Bürgermeister Neuhoff nicht so. Er hat sich sowohl bei Landtagspräsidentin Carina Goedecke als auch Kommunal- und Innenminister Ralf Jäger (SPD) beschwert – genauso wie mehrere Bürgermeister aus dem Sauerland.

Neuhoff verweist darauf, dass der Haushalt seiner Stadt in diesem Jahr ein Defizit von sechs Millionen Euro aufweist, „davon aktuell drei Millionen wegen nicht gedeckter Kosten bei der Flüchtlingsunterbringung“. Ursprünglich seien es sogar 4,2 Millionen gewesen. Da aber seit acht Monaten keine Flüchtlinge mehr kommen, reduziere sich das Defizit ein wenig. Neuhoff spricht von einer „willkürlichen Subventionierung“ von Kommunen und auch davon, dass ein Keil zwischen die Städte getrieben würde – zwischen jene, die von dem Verfahren profitieren und jenen, die zusätzliche Belastungen tragen.

Bei einem Treffen von Bürgermeistern bei der Bezirksregierung in Köln hatte Neuhoff seine Kritik auch offen vorgebracht. Doch die sei einfach abgebügelt worden, sagt er. Das Land sehe keine Möglichkeiten, in diesem Jahr die Verteilpraxis noch zu verändern. Außerdem sei der Schlüssel der finanziellen Zuweisungen mit den kommunalen Spitzenverbänden, also dem Städtetag, dem Gemeindebund und dem Landkreistag, ausgehandelt worden.

Inzwischen hat sich das Land doch bewegt. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz werde noch in diesem Jahr überarbeitet, ab dem 1. Januar 2017 gelte die sogenannte Kopfpauschale, wonach die Kommunen für jene Flüchtlinge Erstattungen erhalten, die auch tatsächlich auf ihrem Gebiet leben, teilt das Innenministerium mit.

Aus Sicht von Neuhoff wäre dies „ein echter Fortschritt für die Zukunft“. Für ihn zähle, „dass die immer wieder angekündigten 10 000 Euro pro Jahr und Flüchtling bei uns ankommen“. Allerdings bleibe „ein sehr bitterer Nachgeschmack“, da das Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) im nächsten Jahr für die vielen Flüchtlinge, die die Stadt im vorigen Jahr schnell versorgen und unterbringen musste, nicht mehr gilt.

Denn bis zum nächsten Jahr seien die meisten Asylverfahren abgeschlossen. Dann hätten diejenigen, die in Bad Honnef bleiben, Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) II, also etwa für ihre Wohnung, und fielen aus der Finanzierung über das FlüAG raus. Dafür müsste dann wieder die Stadt aufkommen. Und noch etwas ärgert Neuhoff: „Das Defizit aus diesem Jahr müssen wir dennoch verkraften, und das geht nicht einfach so.“ Will wohl heißen: Die Stadt muss an anderer Stelle sparen.

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