Grünen-Parteitag Zwischen Klima und Attacke

HALLE/Saale · Die Grünen setzen bei ihrem Bundesparteitag für das Wahljahr 2016 Akzente bei Arbeitsmarkt, Ökologie und Einwanderung. Außerdem: Cem Özdemir lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Grünen-Parteitag ein und setzt dabei ein deutliches Zeichen.

Grünen-Parteitag: Zwischen Klima und Attacke
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Manchmal sollen es die "Jungs" in der Halle dann noch einmal hören, auch wenn die Zeit der "Gender"-Kämpfe weitgehend vorbei ist. Frau gegen Mann, Mann gegen Frau. Das muss nicht mehr sein. Aber was ist nun das wahre Leben?

Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat gerade noch darüber gesprochen, den "Anwesenheitswahn" in den Unternehmen und Behörden zu reduzieren. "Homeoffice" sei auch eine (gute) Möglichkeit, an manchen Tagen Arbeit und Familienleben zusammenzubringen. Doch eines sollen die "Jungs" bei den Grünen noch wissen: "Ran an die Töpfe, ran an die Windeln, ran an den Abwasch." Dies sei das wahre Leben. Das musste jetzt einfach mal gesagt werden - in der Debatte über grüne Arbeitszeitpolitik. Es geht in diesen Stunden auch darum, wie sich Mütter und Väter ihre Lebens- und Arbeitszeit teilen.

Katja Dörner, Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, spricht aus, was viele in der Halle täglich erleben: "Viele Menschen hetzen durch ihr Leben." Beruf, Familie, Ehrenamt. Da bleibe oft keine freie Minute mehr. "Wir Grünen wollen, dass der Job ins Leben passt, wenn man sich um andere kümmert", sagt die Bonner Abgeordnete, die erstmals auch in den 16-köpfigen Parteirat gewählt wurde.

Deswegen wolle man die Bezugszeit von Elterngeld moderat ausweiten, wirbt Dörner für den Antrag des Bundesvorstandes. Von bislang 14 auf künftig 24 Monate. Die Formel dafür: 8+8+8. Danach soll jeder Elternteil bis zum 14. Geburtstag des Kindes Anspruch auf acht Monate Familienzeit haben, weitere acht Monate können sich die Eltern flexibel teilen. Auch Alleinerziehende sollen einen Anspruch auf Familienzeit Plus haben: "selbstverständlich" für insgesamt 24 Monate.

Die rund 800 Delegierten stimmen schließlich für den Entwurf des Bundesvorstands, für 8+8+8 und für ein neues "Leitbild von Vollzeit". Innerhalb eines Korridors von 30 bis 40 Stunden sollen "Beschäftigte in Betrieben ab einer bestimmten Größe ihren Arbeitszeitumfang aufstocken oder reduzieren und damit bedarfsgerecht bestimmen können". Es geht den Grünen also um mehr Souveränität von Beschäftigten über ihre Arbeitszeit.

Was die Grünen "mit Mut im Bauch", so der Slogan des Parteitages, wollen: mehr Zeit, mehr Zukunft, mehr Herz, mehr Öko, heißt es auf Großplakaten an den Wänden in der Halle. Mehr Öko? Bis 2030 soll es zu 100 Prozent erneuerbare Energien geben. Mehr Herz? Der erste grüne Ministerpräsident der Parteigeschichte, Winfried Kretschmann, hat die rund 800 Delegierten am ersten Abend zwar beruhigt, dass am Grundrecht auf Asyl nicht gerüttelt werden dürfe. Das ist schon etwas, schließlich hatte gerade Kretschmanns Landesregierung im Bundesrat mit dafür gesorgt, Staaten des westlichen Balkans gegen Protest der Basis zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Und nun sagt er noch: "Nicht alle, die zu uns kommen, können auch hier bleiben." Da siegt Vernunft über das grüne Herz.

Mehr Herz? Cem Özdemir lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Grünen-Parteitag ein. Natürlich haben auch die Grünen registriert, wie CSU-Chef Horst Seehofer in München die Vorsitzende der Schwesterpartei behandelt hat. Merkel würde bei den Grünen "anständig behandelt und nicht wie bei der CSU in Bayern". Sollte Merkel in den kommenden zwei Jahren tatsächlich bei den Grünen vorbeischauen, kann Özdemir sie als Parteichef begrüßen. Die Delegierten wählten ihn mit 76,9 Prozent erneut an die Parteispitze (2013: 71,4 Prozent). Co-Parteichefin Simone Peter bestätigte die Basis mit 68 Prozent an der Spitze (2013: 75,9 Prozent). Peters Gegenkandidatin Sonja Karas hatte zuvor noch gesagt: "Wir müssen uns schleunigst von der Mentalität eines Juniorpartners verabschieden." Özdemir sagt dazu nur so viel: "Ja, wir wollen regieren."

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