NSU-Prozess Zeuge: Verfassungsschutz schickte Geld an NSU-Terroristen

München · Der Thüringer Verfassungsschutz soll kurz nach dem Abtauchen der drei mutmaßlichen NSU-Terroristen 1998 Geld an das Trio in den Untergrund geschickt haben.

 Vor dem Oberlandesgericht wurde der NSU-Prozess fortgesetzt. Foto: Peter Kneffel

Vor dem Oberlandesgericht wurde der NSU-Prozess fortgesetzt. Foto: Peter Kneffel

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Das sagte der frühere Verfassungsschutz-V-Mann und damalige Kopf des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutzes", Tino Brandt, am Dienstag als Zeuge im Münchner NSU-Prozess. Das Geld habe er selber in Empfang genommen und weitergeleitet.

Durch einen Anruf aus der Szene habe er eine oder zwei Wochen nach dem Untertauchen erfahren, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geflohen seien. Er habe dann begonnen, Geld für die drei aufzutreiben, zunächst bei Stammtischen und auf einem Konzert. Die Spenden seien jedoch nach einiger Zeit versiegt, aber es habe weiter Geld gegeben, "das der Freistaat Thüringen gespendet hat. Sechs, sieben Mal so...". Er meinte damit Zahlungen des Verfassungsschutzes an ihn.

Auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters, ob das Geld tatsächlich ausdrücklich für die Weitergabe an das Trio bestimmt war, antwortete Brandt: "Soweit ich mich erinnere, war das direkt für die Weitergabe." An die Höhe der Beträge erinnere er sich nicht mehr. Auch, an wen er das Geld weitergeben habe, könne er nicht mehr mit Sicherheit sagen. Er vermute, es habe sich um jemanden aus der Jenaer Rechtsextremisten-Szene gehandelt, der umittelbaren Kontakt zum Trio hielt.

Seine Geheimdienst-Tätigkeit soll Brandt bis zu seinem Auffliegen 2001 insgesamt 200 000 Mark eingebracht haben. Parallel dazu organisierte er den Aufbau der rechtsextremen Szene in Thüringen. Immer mittwochs habe es Stammtische gegeben, bei denen die Anführer der örtlichen "Kameradschaften" sich austauschten, erinnerte er sich. Die Gruppe aus Jena habe dabei eine besondere Rolle gespielt, weil sie sich als "Elite" verstanden habe. Die anderen seien darauf aus gewesen, möglichst viele neue Mitglieder anzuwerben, die Jenaer hätten dagegen "statt Quantität auf Qualität" gesetzt.

Zur Jenaer Gruppe gehörte auch das spätere NSU-Trio, das mindestens zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll. Über Beate Zschäpe sagte Brandt, sie sei "keine dumme Hausfrau" und habe sich gut mit "Rechtsfragen oder dem Germanentum" ausgekannt. Mundlos charakterisierte er als "lustigen Typ", für den sich "jede Oma schnell begeistern konnte". Uwe Böhnhardt sei eher schweigsam gewesen. Auf die Frage des Richters nach den privaten Beziehungen zwischen den Dreien sagte Brandt, nach seinem Eindruck sei Beate Zschäpe mal mit dem einen, mal mit dem anderen liiert gewesen.

Brandt war am Morgen an einer Handfessel von Wachleuten aus dem Verwahrzimmer für Untersuchungsgefangene in den Verhandlungssaal geführt worden. Er war vor wenigen Wochen festgenommen worden, allerdings nicht wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit den "Nationalsozialistischen Untergrund", sondern wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs. Seine Vernehmung soll am Mittwoch fortgesetzt werden. Er ist diese Woche der einzige Zeuge im NSU-Prozess.

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