Kommentar zur CSU Zeitenwende

Meinung · Die CSU muss durch diese Zäsur, vermutlich auch durch eine Zeitenwende. In Bayern gehen die Uhren anders? Sie müssen einfach neu gestellt werden, kommentiert Holger Möhle.

 CSU-Parteichef Horst Seehofer, der Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban, und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

CSU-Parteichef Horst Seehofer, der Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban, und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Foto: dpa

Nichts ist mehr sicher. Nicht einmal absolute Mehrheiten der CSU in Bayern. Die CSU tanzt in diesem Jahr auf zwei Hochzeiten und reibt sich verwundert die Augen. Wähler wenden sich enttäuscht von ihr ab. Vor allem: Sie bleiben weg. Im Herbst muss sie durch eine Landtagswahl und will dabei ihre Mehrheit verteidigen.

Doch für absolute Mehrheiten gibt es auch in Bayern längst keine absolute Gewissheit mehr. Rechts von der CSU wildert die Alternative für Deutschland im Lager der Unzufriedenen, der Vergessenen, der Globalisierungsverlierer. Im Bund wiederum baut CSU-Chef Horst Seehofer – mit etwas weniger Absolutheit – an einer nächsten großen Koalition in Berlin. Ob das klappt, muss derzeit als offene Frage bezeichnet werden.

Die CSU hat dieses Jahr wieder mit einigem Theaterdonner Forderungen nach einer bürgerlich-konservativen Wende und einer schärferen Zuwanderungspolitik begonnen. Und sie belastet die erste Sondierungsrunde mit CDU und SPD am Sonntag mit Streicheleinheiten für ihren in Europa höchst umstrittenen Freund, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Die CDU merkelt derweil ohne echte Projekte uninspiriert vor sich hin. Und die SPD weiß noch nicht, ob und wie viel Bundesregierung sie sich und ihren Mitgliedern zumuten kann und soll. Die nächste Groko wäre, daran gibt es nichts schönzureden, auch eine Koalition der Wahlverlierer.

Dass die CSU bei dieser insgesamt komplizierten Ausgangslage nicht aus dem Umfrageknick kommt, hat auch damit zu tun, dass der angekündigte Wechsel von Seehofer zu seinem Dauerrivalen Markus Söder an der Spitze der Staatskanzlei von vielen Wählern nur als Scheinfriede empfunden wird. Tatsächlich ist die CSU auch im neuen Jahr eine zerstrittene und auch gespaltene Partei. Daran hat weder die Versöhnungsshow beim Parteitag in Nürnberg noch die Klausur der Landesgruppe in Kloster Seeon etwas geändert. Seehofer und Söder werden, wenn überhaupt, ihren Waffenstillstand nur unter Aufbietung maximaler Disziplin durchhalten – bis zur Landtagswahl. Und dann mal sehen.

Söder würde mittlerweile bereits als passables Ergebnis bescheinigt, wenn er die CSU wieder über die 40-Prozent-Marke bringen würde. Da wird Bescheidenheit plötzlich ganz neu definiert. Die CSU, lange von Kopf bis Fuß auf absolute Mehrheit eingestellt, kämpft um ihre Macht. Unverändert gilt bei den Christsozialen die Losung: erst Bayern, dann der Bund. Doch die CSU schafft es aktuell nicht, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Sie ist zu beschäftigt mit sich selbst – was sie in früheren Zeiten ihrem einstigen Lieblingsfeind und neuem potenziellen Partner, den Grünen, vorwarf.

Die CSU muss durch diese Zäsur, vermutlich auch durch eine Zeitenwende. In Bayern gehen die Uhren anders? Sie müssen einfach neu gestellt werden.

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