Tagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK fordert Konsequenzen aus Missbrauchsskandal

Bonn · Moralische Krise und „Nagelprobe“: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken fordert in einer Erklärung, schnelle Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal zu ziehen. In Bad Godesberg fand am Freitag eine Vollversammlung statt.

Konstruktive, weitsichtige und vor allem „vom Heiligen Geist getragene Beratungen und Entscheidungen“ wünschte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki den rund 200 Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die am Freitag zur Vollversammlung in die Bad Godesberger Stadthalle gekommen waren.

Er thematisierte den gesellschaftlichen Rückzug vom katholischen Glauben und bezeichnete die Lage als kritisch. Heute stehe man fassungslos vor einem Handeln der Kirche, das mit dem Wort „unklug“ nur sehr unzulänglich zu charakterisieren sei.

Deutlichere Worte fand ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Die Ergebnisse der im September vorgestellten Studie über den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige sei bedrückend und beschämend und stelle „uns als Kirche existenziell in Frage“, so Sternberg.

Klerikalismus zu überwinden

Es gehe darum, jedwede Art von Klerikalismus zu überwinden, der nach wie vor das Denken der Kirchenoberen bestimme. „Wir wollen eine wirkliche Synodalität“, forderte Sternberg und verlangte damit die Einbeziehung von Frauen auf sämtlichen Ebenen der Kirche und in den Ämtern. Einschließlich aller Weihen.

Auch müsse die Kirche ihre Sexualmoral neu definieren, für die sie bereits seit vielen Jahren die Kompetenz verloren habe. Sternberg wehrte sich gegen Einschränkungen von wissenschaftlicher Theologie, ohne die man weder die Einheit der Kirche sichern, noch deren Zukunft gestalten könne.

Er klagte die mangelnde Partizipation von Laien in der Kirche an und stellte die rhetorische Frage, woher eigentlich die nicht auszulöschende Vorstellung käme, die Kirche sei hierarchisch organisiert und deshalb hätten dort demokratische Elemente nichts zu suchen. Mit großem Applaus bezeugten die ZdK-Mitglieder ihre Zustimmung.

Sternberg bezieht Stellung zum Hambacher Forst

Auch bei innenpolitischen Themen bezog das sechsköpfige Präsidium durch Sternberg Stellung: Kein Land dürfe sich seiner solidarischen Mitverantwortung für die weltweiten Migrationsbewegungen entziehen. Diskussionen gab es um die Energiepolitik. Sternberg bezichtigte die Umweltaktivisten im Hambacher Forst einer „eklatanten Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien“. Aus den Reihen der Mitglieder wurde ihm entgegen gehalten, dass es auch eine christliche Aufgabe sei, „die Schöpfung zu bewahren“.

Am Werbeverbot für Abtreibungen (Paragraf 219a) wollte Sternberg genauso festhalten, wie er sich gegen den Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eines Bluttests auf Kassenleistung innerhalb einer frühen Schwangerschaft aussprach.

Man befürchte, dass sich dieser scheinbar harmlose Test als ein effektives Mittel zur frühen Selektion erweisen könnte. „Die wahren Feministinnen sind die, die sich gegen eine Streichung des Paragrafen 219a aussprechen“, unterstrich Rita Waschbüsch, von 1988 bis 1996 erste und bisher einzige Präsidentin des ZdK, in der anschließenden Aussprache.

Strukturelle Konsequenzen

Um die Missbrauchsstudie ging es auch in dem Vortrag von Klaus Mertes. Er forderte strukturelle Konsequenzen für die katholische Kirche. Der Jesuitenpater, ehemaliges ZdK-Mitglied, hatte 2010 die Aufklärung von sexuellem und physischem Missbrauch junger Menschen an kirchlichen und später auch an nichtkirchlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland angestoßen.

Er widersprach der kirchlichen Diktion, in der die Missbrauchskrise als eine Glaubwürdigkeitskrise dargestellt wird. Damit sei man erneut bei der Institution und nicht bei den Betroffenen. Es müsse einen Blick auf die Kirche geben, die keine Abwendung von den Opfern bedeute.

Es packe ihn „Trauer und Zorn“, wenn er dazu Erklärungen von Nuntien oder römischen Kardinälen lesen müsse. „Immer mehr Gläubige ertragen das vereinnahmende ‚Wir‘ aus dem Munde von Bischöfen nicht mehr“, so Mertes.

Änderung der kirchlichen Sexualmoral

In einer Erklärung zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche verlangt das ZdK zügiges Handeln. Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sei eine „Nagelprobe“, die zeige, ob die Institution Kirche diese moralische Krise bewältigen könne. Gefordert wird etwa: „Innerkirchliche, klerikalistische Machtstrukturen müssen zeitnah aufgebrochen werden, denn das Problem liegt im System.“

Es brauche Änderungen der kirchlichen Sexualmoral, besonders auch zur Homosexualität, zum Pflichtzölibat für Priester, zur Stellung der Frau in der Kirche und zur gemeinsamen Verantwortung aller Getauften und Geweihten. Der Antrag wurde mit vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen angenommen.

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