Bundeshaushalt Wolfgang Schäuble lockt mit Steuersenkung

Berlin · Finanzminister Wolfgang Schäuble will kleine und mittlere Steuerzahler entlasten und nennt zu Beginn der Haushaltsdebatte erstmals eine Größenordnung. Die Debatte ist aber geprägt vom wachsenden Misstrauen in der großen Koalition.

 Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht zu Beginn der Haushaltswoche im Deutschen Bundestag. FOTO: DPA

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht zu Beginn der Haushaltswoche im Deutschen Bundestag. FOTO: DPA

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Die Haushaltswoche im Bundestag eröffnet traditionell der Bundesfinanzminister. Er legt den Regierungsvorschlag für den Etat 2017 und die Finanzplanung der nächsten Jahre dem Parlament vor, das bis Ende November entscheidet. In normalen Jahren ist der Auftakt im Bundestag die Stunde der Haushaltspolitiker, die über Zahlen und ökonomische Entwicklungen diskutieren.

Doch dieses Mal ist es anders: Minister Wolfgang Schäuble (CDU), der mit der Kanzlerin erst in der Nacht vom G-20-Gipfel in China zurückgekehrt ist, nutzt seinen Auftritt für eine Regierungserklärung. Am ersten Sitzungstag des Parlaments nach den Sommerferien versucht Schäuble, die aufgeheizte Stimmung im Land aufzunehmen. „Viele Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft. Das ist berechtigt“, sagt Schäuble.

Das Ausmaß von Krieg, Terror und wirtschaftlichen Veränderungen auf der Welt verängstige die Menschen. In dieser Lage sei die Sehnsucht nach markigen Worten und Demagogen groß. Doch Schäuble warnt vor „alten Rezepten“. Ganz nebenbei formuliert er ein Ziel, das zu erreichen der Regierung zurzeit die größten Schwierigkeiten bereitet: „Wir müssen jetzt beweisen, dass die Integration der Flüchtlinge gelingen kann.“

Schäuble will Orientierung geben, seiner Partei Mut machen. Den vielen Sorgen stellt er eine gute wirtschaftliche Bilanz gegenüber. Die Arbeitslosenzahl sei auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren, die Erwerbstätigkeit steige und die Inflation sei niedrig. Dies bekämen die Bürger in Form höherer Löhne und Renten zu spüren. Die Finanzpolitik habe aus Schäubles Sicht zur wirtschaftlichen Stabilität beigetragen, weil sie Vertrauen schaffe. Seit 2014 komme der Bundeshaushalt ohne neue Schulden aus. „Wir geben nur das aus, was wir nachhaltig haben“, lautet Schäubles Credo.

Doch der Wahlkampf naht. Schon vor Monaten hatte der Verfechter des Sparkurses Steuersenkungen für die Zeit nach der Wahl angekündigt. Nun nennt er zum ersten Mal eine Größenordnung. Nach dem Jahr 2017 will er in erster Linie Steuerzahler mit kleinem und mittleren Einkommen um 15 Milliarden Euro entlasten. Dieser Spielraum sei vorhanden, ohne den finanzpolitischen Kurs zu gefährden.

Schäuble will den sogenannten Mittelstandsbauch im Steuertarif glätten. Dabei handelt es sich um eine Besonderheit im Steuerrecht, die dazu führt, dass der progressive Steuertarif bei kleinen und mittleren Einkommen nicht gleichmäßig, sondern stark ansteigt. Dadurch haben kleine und mittlere Einkommen vergleichsweise hohe Abzüge. Würde man diesen Effekt ganz beseitigen, kostete dies nach Schätzungen von Steuerexperten ungefähr 25 Milliarden Euro.

Schäuble will einen Anfang machen. Eine kleine Entlastung wird es schon im nächsten Jahr geben. Das steuerliche Existenzminimum soll angepasst werden, was zu einem höheren Grundfreibetrag und mehr Kindergeld führt. Außerdem hat die Regierung schon früher versprochen, einen Ausgleich für die inflationsbedingte kalte Progression zu schaffen. Schäuble beziffert die Entlastung für 2017 auf zwei Milliarden Euro.

In der Haushaltsdebatte ist das nur ein Punkt von vielen. Im Parlament wird deutlich, wie sich die Koalitionspartner immer stärker voneinander abgrenzen. Schäuble spricht sich dafür aus, einen weiteren Anstieg der Sozialausgaben zu vermeiden. Der Anteil des Sozialetats liege heute schon bei 50 Prozent des Bundeshaushalts. Mehr gehe nicht. Allein für die gesetzliche Rente flössen aus dem Bundesetat ab 2020 mehr als 100 Milliarden Euro. Geht es nach Schäuble, sollen Spielräume im Haushalt auch für eine Steigerung der Investitionen genutzt werden.

Als Schäuble dann auch noch Zweifel an der Angleichung der Ostrenten an das Westniveau anmeldet, lässt der Widerspruch aus den Reihen der Sozialdemokraten nicht lange auf sich warten. Der SPD-Finanzpolitiker Carsten Schneider sagt, dass für die SPD Sozialausgaben keine Kostenbelastung darstellen. Wenn der Staat Geld in den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft investiere, sei es gut angelegt. Heftig attackiert Schneider die Steuersenkungspläne Schäubles. „Das kommt ein bisschen spät.“ Die SPD hätte sich gewünscht, dass Steuersenkungen schon in diesem Jahr in Angriff genommen worden wären.

Was Schneider unerwähnt lässt, ist die Tatsache, dass die Union zu Beginn der Legislaturperiode einige Mühe hatte, im Koalitionsvertrag den Verzicht auf Steuersenkung festzuschreiben. Die SPD ist zwar für die Entlastung der Steuerzahler mit kleinem und mittlerem Einkommen, macht dafür aber die Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Bedingung. Das lehnt die Union ab. Schneider kritisiert den Koalitionspartner auffallend hart. „Steuerpolitisch waren die vergangenen vier Jahre verlorene Jahre“, so der Sozialdemokrat. Die Ähnlichkeit zu den Äußerungen der Opposition sind augenfällig. „Das ist ein Haushalt der verpassten Chancen“, meint der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler.

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