"Positives Signal" Wirtschaft begrüßt Eckpunkte zur Fachkräftezuwanderung

Berlin · Der Fachkräftemangel in Deutschland nimmt aus Sicht von Wirtschaftsverbänden immer größere Ausmaße an. Es fehlten 1,6 Millionen Arbeitskräfte. Die Bundesregierung will gegensteuern.

 Wer packt mit an? Schon heute fehlen in Deutschland 1,6 Millionen Arbeitskräfte.

Wer packt mit an? Schon heute fehlen in Deutschland 1,6 Millionen Arbeitskräfte.

Foto: Boris Roessler

Wirtschaftsverbände begrüßen die Eckpunkte von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zur Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sprach von einem positiven Signal.

"Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte, daher brauchen wir neben großem Engagement mit Blick auf inländische Potenziale dringend auch parallel bessere Zuwanderungsregeln", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer am Freitag in Berlin.

"Die grobe Fahrtrichtung stimmt", erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Sinnvoll sei etwa, dass die Beschränkung auf die bisher sehr eng definierten Engpassberufe wegfallen soll. Ausländer aus Staaten außerhalb der Europäischen Union dürfen in der Regel nur dann zum Arbeiten nach Deutschland kommen, wenn es in ihrem Feld besonderen Bedarf gibt (Engpassberufe). Gleichzeitig solle Deutschland bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse aber großzügiger sein, forderte der BDA.

Im Eckpunktepapier von Bundesinnenminister Seehofer (CSU), das unter anderem der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: "Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland hängt in entscheidendem Maße davon ab, wie gut es uns gelingen wird, die Fachkräftebasis zu sichern und zu erweitern." Zwar prosperiere die deutsche Wirtschaft momentan. Doch: "Insgesamt hat sich der Fachkräftemangel zu einem bedeutenden Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt."

Einen "Spurwechsel" aus dem Asyl- ins Aufenthaltsrecht lehnt Seehofer ebenso wie weite Teile der Union ab. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte zuletzt dafür plädiert, abgelehnten Asylbewerbern so den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. "Wir sind für eine klare Trennung zwischen der humanitären Aufnahme auf der einen Seite und der Arbeitsmigration auf der anderen Seite", sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. "Würde man diese beiden Bereiche miteinander verbinden, wäre eine Steuerung nicht mehr möglich."

Das Fachkräftekonzept der Bundesregierung soll laut Papier neu ausgerichtet und auf drei Bereiche konzentriert werden: die inländischen, die europäischen und die internationalen Fachkräftepotenziale. Die Anstrengungen sollten zunächst und prioritär darauf gerichtet werden, die "inländischen Potenziale" zu heben und zu sichern, heißt es. Die Regierung will sich außerdem stärker dafür einsetzen, Fachkräften aus den EU-Mitgliedstaaten langfristige Chancen in Deutschland aufzuzeigen.

Die Bemühungen sollen laut Entwurf am Bedarf der Volkswirtschaft ausgerichtet werden und die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise berücksichtigen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht die Vorschläge als nicht ausreichend an. Mit einem erforderlichen Einwanderungsgesetz hätten die vorgeschlagenen "Korrekturen und Reparaturen" nichts gemein, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Unterstützung für Seehofers Papier gab es insbesondere aus der Union. "Eine Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme wird es mit uns nicht geben", versprach der Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU). CSU und CSU lehnnten einen "Spurwechsel" klar ab. "Mit einer solchen Regelung würde sich die Zahl der Asylbewerber deutlich erhöhen, die allein aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen."

Der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel nannte die Eckpunkte von Seehofer ein "Feuerwerk der Vagheiten". Anstatt ein Punktesystem nach dem Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer zu schaffen, würden nur ein paar kleine Reparaturen angekündigt. "Das ist schlicht zu wenig und wird das Einwanderungsland Deutschland nicht voranbringen."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock pochte auf die Möglichkeit zum "Spurwechsel". "Es ist doch absurd, wenn Handwerksbetriebe und Unternehmen Flüchtlinge einstellen oder ausbilden und dann ihre Mitarbeiter plötzlich abgeschoben werden."

Die SPD plädierte für eine Stichtagsregelung, um Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge zu vermeiden. "Da wir ausschließlich diejenigen berücksichtigen wollen, die bereits in Deutschland leben, wäre eine Stichtagsregelung sinnvoll", sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl der "Welt" (Freitag).

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, erklärte: "Die gezielte Abwerbung von Fachkräften ist ein quasi-kolonialistischer und zutiefst egoistischer Akt: Die Herkunftsländer sollen die Ausbildungskosten bezahlen, den Nutzen aber soll die deutsche Wirtschaft einstreichen." AfD-Fraktionschefin Alice Weidel beklagte: "Seehofers Entwurf ist eine Luftnummer, die nach hinten losgehen wird. Einwanderung wird damit nicht gesteuert, sondern angeheizt."

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