Günstige Mieten und Arbeitslosigkeit Wie sich kriminelle Clans in NRW ausbreiten

Düsseldorf · Stadtteile mit günstigen Mieten und hoher Arbeitslosigkeit ziehen kriminelle Clans an. Sie breiten sich aus und festigen ihre Strukturen. Die größte Community lebt in Essen.

Es sind in der Regel Viertel, die sich im Niedergang befinden, in denen sich kriminelle Clans niederlassen, ausbreiten und ihre Strukturen festigen. „Sie sind immer in Stadtteilen mit günstigen Mieten, hoher Arbeitslosigkeit – wie in Essen-Altenessen oder in Duisburg-Marxloh – zu finden“, sagt Thomas Jungbluth, leitender Kriminaldirektor des Landeskriminalamtes (LKA). Dieses Verhaltensmuster fördert nach Einschätzung der Ermittler die Abschottung gegenüber Dritten und stärkt die innere Verbundenheit des Clans.

Die größte Community lebt in Essen. Hinzu kommen Gelsenkirchen, Recklinghausen, Duisburg, Bochum und Dortmund in unterschiedlicher Ausprägung und mit unterschiedlicher krimineller Belastung. Düsseldorf steht zwar noch nicht so stark im Fokus wie das Ruhrgebiet. Aber auch hier gibt es Clanangehörige. „Sie stellen ihre Besitztümer gern öffentlich zur Schau: Man zeigt und ist, was man hat. So bietet gerade die Flaniermeile der Düsseldorfer Kö eine Plattform, Luxuskarossen beim Car-Posing zu präsentieren“, sagt Jungbluth.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat den Clans den Kampf angesagt und geht seit Wochen mit intensiven Razzien gegen sie vor. Erst vor Kurzem sagte er unserer Redaktion, dass der Staat die Entwicklung von Parallelgesellschaften in NRW verschlafen habe. Weder die Polizei noch Politik hätten sich gekümmert. Nun würden sie sich auch im ländlichen Raum ausbreiten Das bestätigt nun auch das Landeskriminalamt. „Wir finden sie zum Beispiel in Mettmann, Düren oder in Westfalen“, sagt Jungbluth.

Immer auf der Suche nach lukrativen Geschäftsfeldern

In Duisburg agieren die Clans im gesamten Stadtgebiet – hauptsächlich in Laar, Hochfeld und Marxloh. Bei ihnen handelt es sich laut eines internen Polizeiberichts vor allem um „Mardin-Kurden“, im Polizeijargon auch „Schein-Libanesen“ genannt, die zwischen 1975 und 1990 aus der Türkei ins Ruhrgebiet kamen. Dem Staat gelang es nie, sie abzuschieben, obwohl ihre Asylanträge regelmäßig abgelehnt wurden. Die Abschiebungen scheiterten, so steht es in dem Polizeibericht, an für ungültig erklärten Reisepässen.

Die Staatsangehörigkeit der Clanmitglieder, sagt Jungbluth, sei nur schwer zu umreißen. Etwa ein Drittel dieser Klientel habe die libanesische Staatsangehörigkeit, etwa ein Drittel die deutsche, der Rest teile sich auf in Türkisch, Staatenlos, oder eine andere Staatsangehörigkeit. Viele Clanmitglieder seien zudem bildungsfern und verfügten über keinen Schulabschluss, wollten aber im täglichen Leben über viel Geld verfügen, so Jungbluth. Die Familien sind sehr kinderreich. „Der Staat stellt kinderreichen Familien Sozialleistungen zur Verfügung, und die greifen die Clans natürlich ab“, sagt der Chefermittler für Organisierte Kriminalität in NRW.

Die Clans sind immer auf der Suche nach lukrativen Geschäftsfeldern. Deshalb mischen sie auch im Musikgeschäft mit – konkret im „Gangster-Rap-Business“, zu deren bekanntesten Protagonisten Bushido zählt. Mit Konzerten, Downloads, bei CD-Verkäufen oder Werbung bei YouTube ließe sich laut LKA viel Geld verdienen. Familienclans würden entsprechende Künstler protegieren.

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