Grüne in NRW Wie die Grünen sich im Wahlprogramm verheddern

Düsseldorf · Die Ökopartei übernahm Forderung der Jugend nach Straffreiheit von Sitzblockaden und Vermummung in ihr Wahlprogramm. Nach Kritik rudern die Verantwortlichen zurück.

 Mit einer Sitzblockade protestieren Demonstranten in Bonn gegen eine Pro-NRW-Kundgebung.

Mit einer Sitzblockade protestieren Demonstranten in Bonn gegen eine Pro-NRW-Kundgebung.

Foto: dpa

Mit zehn farbigen Fäden haben die NRW-Grünen ihr Landtagswahlprogramm illus᠆triert. Kunstvoll werden sie zu einem bunten Zopf verflochten. Motto: „Zusammen ist es NRW.“ Sieben Monate vor dem Wahltermin am 14. Mai 2017 mehren sich jedoch die Anzeichen, dass sich das Spitzenpersonal der bisherigen Regierungspartei gerade ziemlich verheddert.

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Grünen den Entwurf ihres Wahlprogramms kurz nach der öffentlichen Präsentation bereits wieder korrigieren müssen. Im Kapitel zur Inneren Sicherheit hatte die Forderung der grünen Jugend nach einem landeseigenen Versammlungsgesetz Platz gefunden.

Die Justiz könne dadurch entlastet werden, heißt es in dem offiziell vom Landesvorstand verabschiedeten Programmentwurf ganz konkret, „dass Verstöße gegen das Vermummungsverbot und die Teilnahme an Sitzblockaden künftig als Ordnungswidrigkeit gewertet werden.“

Straffreiheit für illegale Sitzblockaden? Bagatellisierung des vermummten Schwarzen Blocks bei Krawalldemos?

Profilierte Innenpolitikerinnen der Grünen-Landtagsfraktion wie Monika Düker oder Verena Schäffer dürften sich die Augen gerieben haben, als sie das eigene Parteiprogramm gelesen haben. Spätestens seit den Kölner Silvesterübergriffen bemühten sich beide vielmehr, den Ruf der Ökopartei bei der Polizei aufzubessern und die Kompetenzwerte im aktuell wohl wichtigsten Politikfeld, der inneren Sicherheit, zumindest mal in messbare Regionen zu hieven.

Lehmann zog die Notbremse

Schnell war von einer Redigierpanne die Rede. In der ständigen Überarbeitung des Programmtextes sei dem Landesvorstand schlicht nicht aufgefallen, dass die Forderung der grünen Nachwuchsorganisation ungeprüft Eingang in das 204-seitige Dokument gefunden habe. Grünen-Landeschef Sven Lehmann nahm die Schuld als „Kapitel-Verantwortlicher“ auf sich und zog die Notbremse: „Dass der im Entwurf des Wahlprogramms beschriebene Vorschlag in dieser Form umsetzbar ist, wurde falsch eingeschätzt. Das ist ärgerlich, wird aber auf dem Parteitag im Dezember, der das Wahlprogramm endgültig beschließt, korrigiert.“ Der Landesvorstand habe dazu bereits einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht.

Innenexpertin Schäffer nannte es zwar „sinnvoll, die Einführung eines landeseigenen Versammlungsgesetzes zu prüfen“. Dazu müsse jedoch zunächst die umfangreiche Rechtsprechung der letzten Jahre ausgewertet werden. Warum die wichtigsten Innenpolitiker der NRW-Grünen den Programmentwurf nicht vorab gelesen hatten, bleibt rätselhaft.

Lebensfremder Politikansatz

Die Herabstufung von Sitzblockaden und Verstößen gegen das Vermummungsverbot zu bloßen Ordnungswidrigkeiten – solche grünen Wahlziele wecken bei Manchen bereits Erinnerungen an die verheerende öffentliche Wirkung des „Veggie-Day“ im Bundestagswahlkampf 2013. Damals galt die Forderung nach fleischloser Kantinenkost als Sinnbild für einen lebensfremden Politikansatz.

Für Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, die vergangene Woche noch stolz mit dem Landtagswahlprogramm am Düsseldorfer Rheinufer für die Fotografen posiert hatte, kommt die Panne zur Unzeit. Bei der Grünen-Landesdelegiertenkonferenz Ende September war sie nur mit 80 Prozent auf Listenplatz eins gewählt worden. Zudem sagen alle aktuellen Umfragen ein Ende von Rot-Grün voraus. Als Hobby-Wanderin weiß Löhrmann: Eine Schön-Wetter-Phase kündigt sich anders an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort