Gezielte Forstwirtschaft gegen den Klimawandel Wie Bäume die Atmosphäre entlasten sollen

Bonn/Köln · Bis zum Jahr 2020 soll weltweit eine Fläche aufgeforstet werden, die viermal so groß ist wie Deutschland. Erste Erfolge sind schon erkennbar. In Köln wird derweil getestet, wie der Wald auf den Klimawandel reagiert.

Die Fichte – eine bedrohte Art: Bald schon könnte sie im Rheinland ausgestorben sein. Und schuld ist der Klimawandel, erklärt Markus Bouwman, Leiter der Forstverwaltung der Stadt Köln: „Die Fichte gehört zu jenen Bäumen, die besonders feuchte Böden brauchen, um zu überleben.“ Die globale Erwärmung bewirke exakt das Gegenteil – sie verursache Trockenheit. Im „Waldlabor“, einer Versuchsfläche an der Autobahn 4 in Köln-Marsdorf, sucht Bouwman daher vorsichtshalber schon einmal nach einem Ersatz für die Fichte: „Wir haben hier sechs Baumarten angepflanzt, die mit trockenen Böden besonders gut zurechtkommen, und die in Zukunft eine größere Rolle in unseren Wäldern spielen könnten.“

Das Experiment auf einer Fläche von 25 Hektar liefert bereits erste Ergebnisse. Eine Nadelbaum-Alternative ist gefunden: die Küstentanne. Sie ist eigentlich in Nordamerika zu Hause, würde hier aber sehr gut hinpassen, weil sie schnell wächst und wenig Wasser sowie Nährstoffe braucht. Für Bouwman wäre sie allerdings eine Notlösung: „Wir sollten nicht darauf bauen, dass jede Baumart eins zu eins ersetzt werden kann." Wälder dürften nicht zu Monokulturen verkommen, sondern müssen artenreich sein, damit sie funktionieren.

Um das zu erreichen, wurde 2011 bei einer internationalen Konferenz in Bonn die „Bonn Challenge“ ins Leben gerufen. Zu dem Treffen hatten das Bundesumweltministerium und die Nichtregierungsorganisation International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) eingeladen.

Zum ersten Mal überhaupt wurde ein konkretes Ziel für den Wiederaufbau der Wälder festgelegt: die Aufforstung von 150 Millionen Hektar bis zum Jahr 2020. Das entspricht dem Vierfachen der Fläche von Deutschland. Das Ziel: die Zerstörung der natürlichen Waldökosysteme aufhalten und damit dem Verlust von Arten, produktiver Böden und der Absenkung des Grundwasserspiegels entgegenwirken. Lebensgrundlagen sollten erhalten, Hunger und Armut verhindert werden.

Staaten aus Afrika, Südamerika und Asien beteiligten sich an der Initiative, seit Mai sind nun auch Bangladesch, die Mongolei, Pakistan und Sri Lanka dabei. Damit haben die an der Initiative beteiligten Staaten der zuvor festgelegten Aufforstung zugestimmt. Bei der aktuell laufenden Bonner Konferenz wirkte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth entsprechend euphorisch: „Unsere Ziele haben sich seit 2011 eigendynamisch auf der ganzen Welt ausgebreitet. In diesem Bereich sieht man die Erfolge – sie sind wirklich sichtbar.“

Deutschland spielt dabei eine Vorreiterrolle. In den letzten zehn Jahren hat die Waldfläche laut der Bundeswaldinventur BW13 um 50.000 Hektar zugenommen. Der deutsche Wald entlastet die Atmosphäre um 52 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, heißt es aus dem Umweltministerium. Er mindert so die Emissionen in Deutschland um rund sechs Prozent.

Das könnte als gutes Beispiel für den Rest der Welt dienen. Der Beitrag, den ein weltweiter Wiederaufbau der Wälder bis 2030 durch die Speicherung von Kohlendioxid leisten kann, wird laut New Climate Economy Report auf 33 Gigatonnen CO2 geschätzt. So ließen sich allein bis zu acht Prozent der Klimaschutz-Fortschritte umsetzen, die für das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels nötig sind.

Ganz so positiv wie das Umweltministerium sieht der Verband der deutschen Forstwirtschaft mit Sitz in Bonn die bisherige Forstpolitik nicht. Die Politik müsse anerkennen, dass der Klimawandel bereits in Deutschland angekommen sei. „Die Häufung und Verschärfung von Witterungsextremen wie Hitze, Trockenheit und Stürmen bedeuten eine große Gefahr für die deutschen Wälder“, warnt Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates.

Der Klimawandel habe nicht nur schwerwiegende Folgen für die Natur – auch die Versorgung der Wirtschaft mit dem Rohstoff Holz gerate unter Druck. „Bäume können sich nicht kurzfristig an die neuen Bedingungen anpassen und schon gar nicht fliehen“, betont Schirmbeck. Die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels sei von existenzieller Bedeutung. Klimatisch angepasste Baumartenmischungen seien eine vorausschauende Lösung. Doch dafür brauche die Forstwirtschaft finanzielle und auch personelle Hilfe, fordert Schirmbeck.

Das 2010 gegründete „Waldlabor“ in Köln-Marsdorf könnte ein Anfang sein. Dessen Kümmerer Bouwman will jedoch nicht missverstanden werden. Bei der Anlage handle es sich lediglich um ein Experimentierfeld, nicht aber um eine Forschungseinrichtung. „Mit dem Waldlabor wollen wir die Besucher vor allem für den Klimawandel sensibilisieren." Es gehe darum, Denkanstöße zu geben, erklärt Bouwman. Vielleicht hat die Fichte doch noch eine Zukunft.

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