Fake News bei Facebook und Co. Wenn falsche Fakten Meinung machen

Berlin/Bonn · Die Politik fordert von Facebook, härter gegen Fake News vorzugehen. Das soziale Netzwerk hat sich für eine Lösung mit externen Partnern entschieden. Viele Fragen sind noch offen.

Was ist falsch, was richtig? Diese Frage will Facebook künftig klären lassen – jedoch nicht aus eigener Initiative. Das soziale Netzwerk reagiert damit auf den wachsenden Druck aus der Politik. Auslöser sind sogenannte Fake News – Falschmeldungen, die in der digitalen Welt herumschwirren, auf einmal da sind und vermeintliche Fakten schaffen.

Wie aus dem Nichts fackelt ein 1000-köpfiger Mob aus Syrern die älteste Kirche Deutschlands ab. Grünen-Vorsitzende Renate Künast ergreift auf einmal Partei für einen Flüchtling, der in Freiburg eine Studentin ermordet haben soll. Vieles stimmt so nicht, doch viele glauben es. Oft ist es rechte Hetze, die Facebook zu einem Ort abstruser Behauptungen werden lässt. So entsteht Stimmung, so entsteht Hass – mit dieser Strategie soll US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen sein.

Wie ernst ist die Situation also? Sehr ernst, befürchtet Bundesjustizminister Heiko Maas. Schließlich stehen auch in Deutschland wichtige Entscheidungen an, die Bundestagswahl im September, die NRW-Landtagswahl im Mai. Für ihn Grund genug, laut über Bußgelder nachzudenken, sollte das soziale Netzwerk Fake News weiter ungehindert grassieren lassen: „Wenn Einträge gegen unser Strafrecht verstoßen, muss das nicht nur von der Justiz konsequent verfolgt werden.“

Zusammenarbeit von Facebook und Correctiv

Das Netzwerk habe eine gesellschaftliche Verpflichtung. Lange hatte sich Facebook dagegen gewehrt. Nun scheint der Druck zu groß geworden zu sein. Das soziale Netzwerk gab Mitte Januar die Zusammenarbeit mit dem Recherchezentrum Correctiv bekannt – ein überlegter Schachzug. Denn Facebook bewahrt sich auf diese Weise seine Integrität und lässt andere über falsch und richtig entscheiden.

Tatsächlich will das soziale Netzwerk auch in Zukunft zu keinem Zeitpunkt wertend eingreifen. Folgendes Vorgehen ist geplant: Sobald ein Nutzer auf einen Artikel stößt, der ihm zweifelhaft vorkommt, kann er diesen melden. Wenn gleich mehrere User einen Beitrag markiert haben, leitet Facebook ihn an Correctiv weiter. Dessen Redakteure überprüfen, ob es sich tatsächlich um eine Falschmeldung handelt. Falls dem so ist, wird der entsprechende Beitrag jedoch nicht einfach gelöscht, sondern mit einem roten Warndreieck versehen.

Jeder, der ihn weiterverbreiten möchte, bekommt ein Fenster mit folgendem Hinweis zu sehen: „Von Dritten als unglaubwürdig eingestuft.“ Ein Link führe dann zur den Ergebnissen von Correctiv. Ansonsten bleiben bislang viele Fragen offen. Auf Nachfrage vertröstet Facebook auf die noch ausstehende Testphase.

Doch reicht das? Das Bundesjustizministerium (BMJV) will die geplante Vorgehensweise des sozialen Netzwerks nicht bewerten, sei bei diesem Entscheidungsprozess auch nicht beteiligt gewesen, erklärt BMJV-Sprecher Philip Scholz. Bisherige Absprachen mit Facebook hätten bislang jedenfalls noch nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt. Ein vom BMJV in Auftrag gegebenes Monitoring laufe noch bis Februar. „Danach werden wir die Zahlen auswerten und über mögliche gesetzgeberische Schritte nachdenken“, so Scholz.

Facebook als Verleger?

Einigen Politikern geht das ganz offensichtlich nicht weit genug. So forderte der frühere Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats und CDU-Politiker Ruprecht Polenz, das soziale Netzwerk bei der Haftung für Inhalte wie einen Presseverlag zu behandeln – ein Vorschlag, von dem Christoph Fiedler, Geschäftsführer Medienpolitik beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), jedoch dringend abrät: Wenn man Facebook die Pflichten eines Verlegers aufzwinge, schaffe man einen privaten Oberzensor. „Das wäre eine Katastrophe für die Pressefreiheit“, so Fiedler.

Dennoch könne sich das soziale Netzwerk nicht von Verantwortung freisprechen, sagt Gernot Lehr, Bonner Medienanwalt. Auch für Facebook gelte das Presserecht: „Sobald Persönlichkeitsrechte verletzt werden, kann man dagegen vorgehen.“ Hier greife das Ping-Pong-Prinzip: Der Betroffene meldet sich beim Provider. Dieser muss beim Verfasser der Nachricht eine Stellungnahme einholen. Der Provider entscheidet anschließend, ob er den jeweiligen Beitrag löscht. „Tut er dies nicht, haftet er selbst“, so Lehr.

Schwieriger sei die Lage, wenn keine Einzelpersonen in ihren Rechten verletzt werden. Zwar könne man auch gegen Volksverhetzung vorgehen. „Solche Verfahren dauern jedoch in der Regel sehr lange und ihr Ausgang ist oft ungewiss“, erklärt Lehr. Die Politik müsse das soziale Netzwerk daher verpflichten, Falschmeldungen so schnell wie möglich durch externe Partner richtigstellen zu lassen.

Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaften an der Universität Bonn, bezweifelt jedoch, dass Facebook den Erwartungen der Politik gerecht werden kann. Sie hält eine Vorschrift, Fake News innerhalb von 24 Stunden zu löschen, für unrealistisch. „Die aktuellen Strategien von Facebook sind unter dem Druck der Politik entstanden“, so Thimm.

Die wenigen Mitarbeiter in Deutschland seien derzeit überfordert. Die Verantwortlichen müssten nun umdenken: „Sie müssen weg von ihrer neutralen Plattform-Philosophie und sich als Player der digitalen Öffentlichkeit verstehen.“ Deshalb halte sie die Zusammenarbeit mit Correctiv für einen guten ersten Schritt, dem weitere folgen müssen.

Eine Gefahr im Netz: Social Bots

Und eine schlagkräftige Allianz im Kampf gegen Fake News scheint dringend nötig zu sein. Denn Meinungsmache in sozialen Netzwerken ist mittlerweile per Automatik-Knopf möglich – durch sogenannte Social Bots.

Es handelt sich um Programme, die in den sozialen Netzwerken eigenständig Beiträge erstellen und auf andere antworten. Solche Bots können in Zeiten von Wahlen über Sieg oder Niederlage entscheiden. Sie verzerren aktuelle Trends, sie machen Stimmung im Netz. Im Wahljahr 2017 wird sich zeigen, wie gut Facebook und seine Partner darauf vorbereitet sind.

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