Ermittlungen um Polizeigewerkschafter Wendt immer stärker unter Druck

Düsseldorf · Der Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt kassierte nicht nur Gehalt als Hauptkommissar, obwohl er sich ausschließlich seiner Gewerkschaftsarbeit widmete, sondern auch als AXA-Aufsichtsrat.

 Inmitten seiner Mitglieder: Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, bei einer Demonstration im März 2015 in Potsdam.

Inmitten seiner Mitglieder: Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, bei einer Demonstration im März 2015 in Potsdam.

Foto: dpa

Eigentlich wollte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwochmorgen in Mönchengladbach nur den nächsten Standort seines Präventionsprojekts „Kurve kriegen“ eröffnen, das jugendliche Intensivtäter vor dem endgültigen Abgleiten in die Kriminalität bewahren soll. Von größerem öffentlichen Interesse war jedoch, wie Jäger selbst in der „Causa Wendt“ die Kurve bekommt.

Das Innenministerium leitete am Mittwoch ein Disziplinarverfahren gegen Rainer Wendt ein, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Ein Bericht im Kölner „Express“ hatte am Morgen das Fass zum Überlaufen gebracht. Wendt wurde nicht nur seit mindestens zehn Jahren vom Land NRW als Hauptkommissar bezahlt, obwohl er in München lebte und sich hauptberuflich der Gewerkschaftsarbeit widmete. Er kassierte zudem seit 2013 als Aufsichtsrat des Kölner Versicherungskonzerns AXA rund 150.000 Euro, ohne dies beim Land ordnungsgemäß als Nebeneinkünfte angemeldet zu haben.

Wendt hatte zu Wochenbeginn sogar noch offensiv vorgerechnet, seine Einkünfte überstiegen nicht das Gehalt eines normalen Hauptkommissars von 4400 Euro monatlich. Der Anteil des Teilzeit-Beamtensoldes aus Nordrhein-Westfalen belaufe sich hierbei auf ungefähr 2200 Euro, den Rest zahle die Gewerkschaft. Dass Wendt die AXA-Einnahmen verschwieg und offenbar 14 weitere Posten in Aufsichtsräten, Vorständen und Ausschüssen bekleidet, von denen sein Dienstherr angeblich nichts wusste, richtet den Scheinwerfer grell nach Düsseldorf.

Da jeder kleine Beamte Fehlzeiten und Nebenverdienste penibel nachhalten muss, ist die Angelegenheit derart peinlich geworden, dass sich DPolG-Landeschef Erich Rettinghaus am Mittwoch aus dem Bundesvorstand seiner Organisation zurückzog. Selbst im Regierungslager ist man derweil sprachlos über Jägers Aussage, er habe erstmals am 24. Februar davon erfahren, dass der in Talkshows omnipräsente Wendt überhaupt auf dem Gehaltszettel seines Ministeriums stand: „Details werden einem Minister nicht vorgelegt.“ Der inzwischen pensionierte Wendt zeigt sich über das Nicht-Wissen seines obersten Dienstherrn „erstaunt“.

Angeblich konnte bislang keinerlei Schriftverkehr gefunden werden, der zeigt, warum Wendt seit zehn Jahren keine Schicht mehr übernehmen musste in seiner Dienststelle, dem Landesamt für polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg. Stattdessen schrieb er das bundesweit diskutierte Buch „Deutschland in Gefahr“. Auch von einer Genehmigung hierfür ist Jäger nichts bekannt. CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach fragt sich, was eigentlich „aus der Personalakte von Herrn Wendt erkennbar“ sei.

Wendts vollständige bezahlte Freistellung für Gewerkschaftsarbeit erfolgte bei seinem Wechsel auf den DPolG-Bundesvorsitz 2007 – in der Zeit des damaligen Innenministers Ingo Wolf (FDP). Es war die kreative Weiterentwicklung eines Systems zur staatlichen Förderung von kleinen Polizeigewerkschaften, das Jäger bis heute verteidigt. Anders als die große DGB-Gewerkschaft GdP können die DPolG und der Bund Deutscher Kriminalisten (BDK) ihre Landeschefs nicht selbst bezahlen und gewinnen bei den Personalratswahlen keine Freistellungsposten. Deshalb wird Rettinghaus und Sebastian Fiedler (BDK) gestattet, sich neben der Arbeit für den Hauptpersonalrat während der Dienstzeit der Gewerkschaftsarbeit zu widmen.

Der grüne Koalitionspartner hält das für nicht hinnehmbar. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, einzelne Gewerkschaften zu alimentieren und andere nicht“, sagte Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh unserer Zeitung. Das bisherige Fördermodell für kleine Polizei-Gewerkschaften als gängige Staatspraxis darzustellen, wie es Jäger tut, sei absurd. „Gewerkschaften müssen autonom sein und sie müssen alle gleich behandelt werden“, findet Mostofizadeh.

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