Weiteres Versäumnis der Berliner Polizei vor Anschlag

Berlin · Die Zusammenarbeit von Polizei, Landes- und Bundesämtern für Flüchtlinge, Ausländerbehörden und Verfassungsschutzämtern bei der Beobachtung und Beurteilung des späteren Attentäters Amri war lückenhaft. Neue Details belegen das zum wiederholten Mal.

 Ein Polizeiauto steht in Berlin.

Ein Polizeiauto steht in Berlin.

Foto: Maurizio Gambarini/Archiv

Kurz vor dem Jahrestag des islamistischen Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt sind weitere Nachlässigkeiten und Ungereimtheiten aus der Arbeit der Sicherheitsbehörden bekannt geworden. Betroffen ist auch die Berliner Polizei. So bat die Polizei in Krefeld (NRW) am 26. Oktober 2016 um eine schnelle Information zum Aufenthaltsort des späteren Attentäters Anis Amri. Die Berliner Kriminalpolizei antwortete jedoch nicht auf die Mail. "Rückmeldung nicht erfolgt!", notierte ein Bearbeiter in der Staatsschutzabteilung im Polizeipräsidium Krefeld nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handschriftlich auf einem Ausdruck der Mail.

Nordrhein-Westfalen war damals federführend für Amri zuständig, weil er dort offiziell gemeldet war. Der Sender RBB und die "Berliner Morgenpost" (Freitag) hatten zuerst darüber berichtet.

Der Polizist in Krefeld schrieb, er sei mit der "Rundumversorgung" des als Gefährder eingestuften Amri beauftragt. Er fragte weiter: "Habt ihr Erkenntnisse über seinen Aufenthaltsort? Ich bitte um zeitnahe Rückmeldung." Diese erfolgte aber nicht. Dabei hatte kurz vorher der marokkanische Geheimdienst explizit vor Amri gewarnt, gestützt wohl auf Aussagen aus dem Bekanntenkreis Amris.

Unklarheiten gibt es auch um die Abschiebung eines Freundes von Amri am 1. Februar 2017. Damals liefen nach Informationen des Magazins "Focus" noch Ermittlungen wegen Mordes gegen den Mann, der wie Amri aus Tunesien stammte. Dabei drehte es sich um Fotos, die Amris Freund bereits im Februar - neun Monate vor dem Anschlag - vom späteren Tatort gemacht hatte. Besonders Zufahrten zum Breitscheidplatz soll er fotografiert haben. Am Abend vor dem Anschlag traf sich der Mann demnach mit Amri, fünf Stunden vor der Tat sollen die beiden telefoniert haben. Bisher war vor allem bekannt, dass Amri Ende November und im Dezember 2016, also auch schon während der Zeit des Weihnachtsmarktes, sich häufiger auf dem Breitscheidplatz und den umliegenden Straßen aufgehalten hatte.

Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe kritisierte die schnelle Abschiebung des Verdächtigen nach Tunesien und vermutete, der Mann solle offenbar nicht mehr als Zeuge aussagen können.

Im Berliner Untersuchungsausschuss zu dem Anschlag schilderte eine damalige Sachbearbeiterin im für Flüchtlinge zuständigen Lageso, wie chaotisch die Registrierung 2015 ablief. Die Sachbearbeiter, die die Flüchtlinge erfassen sollten, bekamen diese oft gar nicht zu sehen, sondern nahmen nur Anträge, die von den Dolmetschern ausgefüllt worden waren, entgegen.

Eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beschrieb das Problem, dass Amri trotz einer Festnahme Ende Juli 2016 nicht abgeschoben werden konnte. Das Bundesinnenministerium sei damals zu dem Schluss gekommen, dass die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Unter anderem, weil die Identität Amris juristisch nicht eindeutig geklärt war. "Das war schon frustrierend", sagte sie. Ein führender Kriminalpolizist vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen konnte als Zeuge nichts wichtiges beitragen, weil er mit dem Fall Amri nichts zu tun hatte.

Der Ausschuss soll aufklären, welche Pannen Polizei und Behörden beim Umgang mit Amri unterliefen. Bei dem Terroranschlag am 19. Dezember 2016 starben zwölf Menschen, etwa 70 wurden verletzt.

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