Das Problem mit dem Wohnraum Was gegen Obdachlosigkeit getan werden muss

Arbeitnehmer mit einem Durchschnittseinkomme finden nur schwer bezahlbaren Wohnraum. Menschen mit einem Schufa-Eintrag oder ohne Gehaltsnachweis sind so gut wie chancenlos.

 ARCHIV - 25.01.2018, Großbritannien, London: Ein Obdachloser sitzt außerhalb der Victoria Station. Die Zahl der Obdachlosen hat in Großbritannien einen neuen Negativ-Rekord erreicht. Etwa 170 000 Familien und Einzelpersonen schlafen etwa in Zelten, Autos oder öffentlichen Verkehrseinrichtungen, wie aus einer am Sonntag von der Wohltätigkeitsorganisation Crisis veröffentlichten Studie hervorgeht. Foto: Victoria Jones/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 25.01.2018, Großbritannien, London: Ein Obdachloser sitzt außerhalb der Victoria Station. Die Zahl der Obdachlosen hat in Großbritannien einen neuen Negativ-Rekord erreicht. Etwa 170 000 Familien und Einzelpersonen schlafen etwa in Zelten, Autos oder öffentlichen Verkehrseinrichtungen, wie aus einer am Sonntag von der Wohltätigkeitsorganisation Crisis veröffentlichten Studie hervorgeht. Foto: Victoria Jones/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa

Deutschland geht es gut, die Arbeitslosenquote ist niedrig, und die Wirtschaft brummt auch weiterhin. In vielen Haushalten wird zu Weihnachten richtig aufgetischt. Feinstes Essen, edle Tropfen, große Geschenke. Fast unbemerkt ist da die hohe Zahl derer, die keine eigene Wohnung haben. Kein eigenes Bett, kein eigenes Bad. Kein Zuhause.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) geht davon aus, dass das inzwischen über eine Million Menschen in Deutschland betrifft. Eine Million. In Deutschland. Sie kommen mal ein paar Tage hier und ein paar Wochen dort bei Freunden unter, halten sich in Bahnhöfen oder Geschäften auf. Männer, Frauen, Kinder. Wirklich sichtbar sind nur die etwa 52 000 Obdachlosen, die mit ihren Schlafsäcken auf Pappe auf der Straße schlafen. Ganz am Ende der Gesellschaft. Ganz unten. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum es die BAGW und nicht die Bundesregierung ist, die mit einer Statistik über die Zahl der Wohnungslosen in die Öffentlichkeit geht oder einen bundesweiten Überblick über den Anteil der Sozialwohnungen liefert. Vieles ist Ländersache, aber über die Ärmsten der Armen muss zentral Klarheit herrschen, weil Hilfe sonst zerfasert. Außerdem muss der Bund Prioritäten setzen. Das Baukindergeld ist eine gute Sache – als Zuschuss für Familien, die grundsätzlich in der Lage sind, Eigentum zu schaffen. Sie haben Arbeit und ein bisschen Kapital. Jemandem, der keine Wohnung hat, oder droht seine vier Wände zu verlieren, weil er schon Mietschulden angehäuft hat, hilft das gar nichts.

Auf dem extrem angespannten Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten haben schon Arbeitnehmer mit einem Durchschnittseinkommen größte Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Menschen mit einem Schufa-Eintrag oder ohne Gehaltsnachweis sind so gut wie chancenlos. Viele Sozialwohnungen fallen inzwischen aus der Sozialbindung heraus, und die Zahl der Neubauten bleibt weit unter den Bedürfnissen.

Es darf nicht nur ein frommer Wunsch sein, dass ein reiches Land wie Deutschland sich mehr um jene kümmert, die es, aus welchen Gründen auch immer, nicht schaffen, mitzuhalten oder sich selbst aus der Misere zu befreien. Ein Sozialstaat hat die Verantwortung dafür, dass seine Bürger das Nötigste zum Leben haben beziehungsweise Hilfe zur Selbsthilfe bekommen – und Verteilungskämpfe vermieden werden.

Wenn mittellose EU-Bürger als Touristen geführt werden und ihnen deshalb die Aufnahme in Notunterkünften verwehrt wird, wie es die Düsseldorfer Obdachlosenhilfe Fiftyfifty beklagt, muss über die möglichen Folgen gesprochen werden. Ein Mensch erfriert vor einem Hauptbahnhof in Deutschland. Dass er Hilfe brauchte, ist allen klar. Und da ist es völlig gleich, ob er Deutscher oder Pole war.

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