NRW-Wahl Wahlplakate auf dem Prüfstand

Rhein-Sieg-Kreis · Nun stehen sie vielerorts, die großen Plakatwände zur Landtagswahl, im Fachjargon Wesselmänner genannt. Der General-Anzeiger hat einen Manager, einen Jugendlichen, eine Seniorin und einen Lehrer für Gestaltung um ihre Einschätzung der Plakate gebeten.

 Mal mit, mal ohne Menschen: Jede Partei versucht, Wähler mit den sogenannten Wesselmännern, also Plakatwänden, anzusprechen.

Mal mit, mal ohne Menschen: Jede Partei versucht, Wähler mit den sogenannten Wesselmännern, also Plakatwänden, anzusprechen.

Foto: Holger Arndt

Karsten Klimmeck, Marketingchef der Firma Silver Plastics in Troisdorf:

SPD: Das Plakat wirkt auf mich, als hätte man keine Zeit gehabt. Man hat Frau Kraft den Kopf beschnitten. Das geht gar nicht und ist unprofessionell. Frau Kraft und der Bürger werden nicht gleichwertig dargestellt, was dem Wahlspruch widerspricht. Es darf nicht sein, dass der Bürger dem Betrachter den Rücken zuwendet. Überdies sieht Frau Kraft unnatürlich und viel zu gestylt aus. Nicht überzeugend.

FDP: Das Plakat ist eigentlich stimmig und zeigt einen Politiker in seinem Element, der Diskussion. Es suggeriert aber, dass man mit Neuwahlen keine Schulden mehr macht. Das stimmt aber nicht und stört mich. Ebenso der Slogan "Das ist meine FDP". Die Partei wird absolut auf Christian Lindner personifiziert. Das Entweder-Oder passt hier nicht.

CDU: Auffallend ist, dass Norbert Röttgen das Kind überhaupt nicht anschaut. Wie soll er da wissen, wie Politik "aus Kinderaugen" aussieht. Das Plakat ist voll am Thema vorbei und darüber hinaus wohl auch gefakt. Die Proportionen stimmen nicht. Es sieht so aus, als wäre Röttgen gar nicht gemeinsam mit dem Kind fotografiert worden. Das ist dilettantisch gemacht. Nichts stimmt an diesem Plakat.

Grüne: Das Plakat hat eine klare Aussage und eine pfiffige Doppeldeutigkeit, die die Grünen als unerlässlichen Koalitionspartner von Frau Kraft ins Spiel bringt. Man erkennt auf den ersten Blick, wofür die Grünen stehen. Gut finde ich, dass nicht mit Personen geworben wird. Es ist ein sehr stimmiges Plakat.

Jonas Hebchen, 16, Schüler an der Jugenddorf-Christophorusschule in Königswinter:

SPD: Das Plakat wirkt auf mich eher wie ein großes Foto, relativ unpersönlich und langweilig, da man mehr als Beobachter auf das Geschehen schaut. Ich fühle mich einfach nicht angesprochen. Die Botschaft, die durch den Wahlspruch vermittelt wird, ist natürlich auf Anhieb recht sympathisch, jedoch ein bisschen einfallslos.

FDP: Wie mein genereller Eindruck von der Partei, wirkt auch das Plakat ziemlich nüchtern und bürokratisch. Jedoch finde ich das Design ziemlich ansprechend.

CDU: Genau so stelle ich mir ein typisches Wahlplakat vor. Es stellt Herrn Röttgen natürlich sehr sympathisch dar. Kinder kommen einfach immer gut, und auch der Schriftzug ist viel kreativer als der anderer Parteien.

Grüne: Schon von Weitem erkennt man die Partei zum Plakat, und durch die Windräder kommt der Umweltfaktor sofort durch. Außerdem wirkt es nicht so aufdringlich und dadurch sympathisch! Der Wahlspruch zeugt von einem festen Plan der Partei - und das ist doch das Wichtigste.

Ilse Elsner, 85, Pensionärin in Bad Honnef:

SPD: Mich stört, dass der ältere Mensch nur von hinten zu sehen ist. Eine gleichberechtigte Gesprächssituation hätte ich besser gefunden.

FDP: Die Hände sind zu sehr im Vordergrund. Mir hätte es besser gefallen, wenn er in die Kamera schauen würde. Augen sprechen ja für sich.

CDU: "Politik aus den Augen unserer Kinder", und er guckt das Kind gar nicht an. Das finde ich nicht so gelungen, das Kind wirkt nebensächlich.

Grüne: "Jede Kraft braucht ihren Antrieb" - das ist nicht schlecht. Das könnte ich so unterschreiben.

Volker Leyendecker, 47, Lehrer für Gestaltungslehre und audiovisuelle Medien am Staatlichen Berufskolleg in Rheinbach:

SPD: Das Bild wirkt authentisch und ungekünstelt. Auffallend ist das Violett. Das wirkt ausgleichend und wurde auch schon im Zusammenhang mit Auftritten der Kanzlerin eingesetzt.

FDP: Typische Talkmaster-Haltung: Es wird auch mit den Händen gesprochen. Das suggeriert Sachkompetenz und hat etwas Ordnendes. Im Kontrast dazu steht das etwas lässige Äußere des Herrn Lindner, das wohl so beabsichtigt ist. Der helle Hintergrund nimmt der Hauptaussage aber etwas von ihrer Wirkung.

CDU: Im ersten Augenblick eine professionelle Machart. Dass der Hintergrund blau ist, ist kein Zufall. Diese Farbe symbolisiert den Geist und wirkt positiv, man assoziiert sie mit einem strahlenden Sommerhimmel. Besser wäre es aber gewesen, wenn Herr Röttgen das Kind angucken würde, anstatt in die Kamera zu lächeln. Auf den zweiten Blick wirkt das Ganze wie eine Fotomontage. Der Kopf des Kindes wirkt proportional zu klein und erscheint anders ausgeleuchtet.

Grüne: Im Mittelpunkt steht die Aussage - erstaunlich groß. Das drückt Sachkompetenz und Entschlossenheit aus. Die aufsteigende Linie und das Licht am Horizont unterstreichen das. Beides sind sehr positive Elemente. Diese Perfektion wird durch die leicht trashigen, weil asymmetrischen Windräder gebrochen. Das soll wohl Jungwähler ansprechen.

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