Interview zur CDU-Parteispitze Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus: „Eine Diskussion zur Unzeit“

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus mahnt mehr Loyalität in der CDU mit dem nächsten Parteichef an. Sonst habe auch dieser keine Chance. Mit Brinkhaus sprachen Kristina Dunz und Eva Quadbeck.

 Ralph Brinkhaus, Geschäftsführender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Ralph Brinkhaus, Geschäftsführender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Hätten Sie sich gewünscht, dass Annegret Kramp-Karrenbauer einen günstigeren Zeitpunkt für den erneuten Wechsel an der CDU-Spitze gewählt hätte?

Ralph Brinkhaus: Die Partei war nicht darauf vorbereitet. Nun erleben wir eine Diskussion zur Unzeit. Wir wollten beim Parteitag im Dezember über die Kanzlerkandidatur entscheiden. Es gibt jetzt zwei Gefahren: Dass wir uns bis Dezember mit Personalfragen beschäftigen oder sehr früh mit einem Kanzlerkandidaten auftreten. Das werden wir klug auflösen müssen.

Wie?

Brinkhaus: Wir müssen Flügelkämpfe und verletzende Auseinandersetzungen vermeiden. Sonst sind wir wieder beschäftigt, Scherben aufzukehren. Und wir sollten jetzt sehr schnell die Verfahren zur Bestimmung des Parteivorsitzenden und des Kanzlerkandidaten festlegen.

Dann ist die CDU in derselben Situation, die zum Rückzug von Kramp-Karrenbauer geführt hat.

Brinkhaus: Beim nächsten Parteivorsitzenden wird eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass er auch Kanzlerkandidat werden wird. Es darf aber nicht passieren, dass die Zeit zwischen Wahl des Parteichefs und Entscheidung über die Kanzlerkandidatur wieder dafür genutzt wird, den Parteivorsitzenden mürbe zu machen.

Wie bei Frau Kramp-Karrenbauer.

Brinkhaus: Nachdem ich 2018 gegen Volker Kauder angetreten und Fraktionsvorsitzender geworden bin, ha­be ich auch den einen oder anderen Fehler gemacht. Aber die Fraktion hat mir da einiges nachgesehen. Ich hatte die Zeit, in dieses Amt hineinzuwachsen. Politiker scheitern letztlich auch immer an den eigenen Truppen. Wenn wir nicht lernen, mit unserer Führungsperson loyal umzugehen – auch wenn sie uns nicht gefällt – dann haben wir keine Chance. Der neue Parteichef wird nur eine Chance haben, wenn er es schafft, die Partei zusammenzuhalten, und die Partei ihm die Chance gibt, diesen Prozess zu organisieren.

Aus NRW werden vier Männer als neue Parteichefs gehandelt. Warum treten Sie nicht an?

Brinkhaus: Die Liste der katholischen männlichen Bewerber aus NRW ist gut besetzt. Ich bin Fraktionsvorsitzender und bin bis zum Ende der Legislaturperiode gewählt.

Wären Sie Teil einer Teamlösung?

Brinkhaus: Der Fraktionsvorsitzende ist immer Teil des Teams, weil die Fraktion entscheidend für die Bundespolitik ist. Ich achte darauf, dass nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden wird und wir als Hilfstruppe missverstanden werden für jemanden, der eigene Ambitionen hat.

Haben Sie die Sorge, dass die CDU einen ähnlichen Weg gehen könnte wie die SPD und über ihre Personaldiskussionen an Bedeutung verliert?

Brinkhaus: Mir würde jedenfalls vor einer Situation grauen, in der sich die Kandidaten gegenseitig angreifen und erklären, warum die Konkurrenten nicht geeignet sind, so wie das die Demokraten gerade im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf machen. Darunter leidet am Ende die Partei. Deswegen hoffe ich, dass wir uns auf ein Verfahren einigen, in dem man respektvoll und achtsam miteinander umgeht. Es wäre auch gut, wenn man sich nicht nur über das Verfahren abspricht, sondern auch darüber berät, wer die beste Person ist, um die CDU in den nächsten Jahren zu führen.

Und wer ist es aus Ihrer Sicht?

Brinkhaus: Alle vier haben ihre Qualitäten. Aber keiner ist perfekt. Das spricht dafür, dass man auch langfristig zusammenarbeitet und nicht ein Alpha-Tier alles bestimmt.

Am Ende kann es nur einer werden oder wollen Sie eine Doppelspitze?

Brinkhaus: Nein! Es kommt auf die Führungsphilosophie an: Alleiniger Bestimmer oder Teamplayer, der auch anderen die Sonne gönnt. Der zweite Führungsansatz scheint momentan allerdings nicht sehr populär zu sein, wenn man sich so in der Welt umschaut. Der Ansatz bleibt aber richtig.

Wer könnte das am besten: Norbert Röttgen, Friedrich Merz, Armin Laschet oder Jens Spahn?

Brinkhaus: Dazu werde ich mich nicht äußern. Wenn es gut läuft, haben wir ein Verfahren, in dem das fair geklärt wird. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass es zu Kampfkandidaturen kommen wird.

Was muss ein Parteichef können?

Brinkhaus: Die Partei und das Land zusammenhalten, das Gute aus der Ära Merkel bewahren und fortsetzen und zugleich kräftige neue Impulse setzen. Und wir müssen unsere Politik konsequent auf die ausrichten, von denen wir gewählt werden wollen. Für diese Menschen sind ein gutes Gesundheitssystem, stabile Renten, Nachhaltigkeit und gute Bildung genauso wichtig wie die mir persönlich sehr sympathischen konservativen CDU-Klassiker wie Ordnungspolitik, Finanzpolitik und Sicherheitspolitik.

Der erste offizielle Kandidat um das Erbe Merkels, Norbert Röttgen, hat gefordert, dass die CDU ihre Politik wieder aus der Mitte, inhaltlich und nicht in Abgrenzung nach links oder rechts machen soll. Hat er Recht?

Brinkhaus: Migrationsgesetze, Klimapaket, Verbesserungen in der Gesundheit und Pflege, Grundrente – alles Themen der Mitte der Gesellschaft – die Bundestagsfraktion hat das besetzt. Wir wollen, dass die Marke ‚Made in Germany‘ auch zukünftig Wert hat, wir wollen, dass unsere Autoindustrie auch in zehn Jahren weltweit die Nummer 1 ist – dafür müssen wir aber passende Rahmenbedingungen schaffen, damit unsere Wirtschaft den strukturellen Wandel – gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung – erfolgreich bewältigt. Die ganz große Frage ist natürlich: Sind wir in zehn Jahren noch Volkspartei? Sind wir dann noch der Vollsortimenter – der Kitt in der Gesellschaft - oder die Spezialboutique für Interessen bestimmter Gruppen? Die CDU muss als bürgerliche Mitte stehen bleiben. In den USA, in Großbritannien, in Frankreich ist diese schon verschwunden. Das besorgt mich.

Rechnen Sie mit einem Fiasko für die CDU bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg? Wird das Folgen haben, wenn die CDU dort unter ihr schon bisher schlechtestes Ergebnis von 15,9 Prozent fällt?

Brinkhaus: Ich bin optimistisch, dass da noch etwas geht, aber Hamburg ist Hamburg mit all den Problemen, die wir als CDU traditionell in Stadtstaaten haben. Das lässt sich nicht eins zu eins auf die Bundesebene übertragen.

Die Gewalttat in Hanau wird von Innenminister Horst Seehofer als rassistisch eingestuft. Wie findet die Gesellschaft zu Zusammenhalt und Einigkeit über ihre Werte zurück, wer sind die geistigen Brandstifter und welche Konsequenzen müssen gezogen werden? Die Union hatte die Sportschützen ja von der Verschärfung des Waffenrechts ausgenommen.

Brinkhaus: Der rassistische Terroranschlag von Hanau zielte auf den Kern unserer Gesellschaft: das friedliche Zusammenleben. Hier sehe ich jeden von uns in der Pflicht, sich Hass und Hetze entgegenzustellen und sich davon klar abzugrenzen – ob in der digitalen oder der realen Welt.

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