Nach der Parlamentswahl in Frankreich Union und SPD wetteifern um Macron

Berlin · Die Union und die SPD wetteifern um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron als Partner im europäischen Poker um Einfluss und Macht.

 Der französische Präsident, Emmanuel Macron.

Der französische Präsident, Emmanuel Macron.

Foto: dpa

Eine Meldung am Montagmittag ließ aufhorchen. Die Grenzschließung durch Saudi-Arabien und andere Golfstaaten gegen Katar gelten seit Tagen als neues Pulverfass für den Nahen und Mittleren Osten. Das französische Präsidialamt ließ am Montag nach dem Wahlsieg Emmanuel Macrons verlauten, der Präsident habe bereits in der vergangenen Woche einen Vermittlungsversuch unternommen. Die Botschaft hinter der Botschaft hieß: Frankreich ist zurück auf der Weltbühne.

In der Nachkriegsordnung war Frankreich im Vergleich zu Deutschland stets der größere Player – Siegermacht, Atommacht, Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der UN. Der schwache und unbeliebte Präsident Hollande sowie die lange und harte Wahlkampfauseinandersetzung um seine Nachfolge schmälerten Frankreichs außenpolitische Bedeutung. Derweil rückte Angela Merkel immer mehr als Hoffnungsträgerin in den Mittelpunkt. Das liberale Amerika rief sie gar schon zur „Anführerin der freien Welt“ aus, was die Kanzlerin klugerweise öffentlich klar zurückwies.

Ein bequemer Partner wird Macron für die Deutschen nicht werden. Dafür steht er zu sehr unter Druck, für Frankreich liefern zu müssen. Da er aber seinen Wahlkampf auf Europa ausgerichtet hatte, wird er der Versuchung widerstehen müssen, zu sagen: „La France D’abord“ als Variante zu „America First“. Er ist pro-europäisch, dennoch wird die Begeisterung über seinen Sieg auch in Berlin bald der Ernüchterung weichen.

Am Tag nach der Wahl zeigte sich in der deutschen Hauptstadt zunächst einmal ein kurioses Rennen zwischen SPD und Union, wer denn nun der überzeugendere Macron-Befürworter ist. Beide Seiten reklamierten den Wahlsieg für jene politischen Inhalte, für die sie selbst stehen. Auf dem Nachrichtendienst Twitter verbreitete Regierungssprecher Steffen Seibert Merkels Glückwunsch und ergänzte: „Starkes Votum für Reformen.“ Außenminister Gabriel befand: „Macron überzeugt – nicht nur in Frankreich, sondern auch und für Europa.“

Berechtigte Hoffnung

So setzt die Union darauf, dass Macron, wie er es angekündigt hat, harte Arbeitsmarktreformen durchsetzt, um die schwächelnde französische Volkswirtschaft wieder flott zu machen - ähnlich wie einst die deutschen Hartz-Reformen unter der Regierung Schröder. Die Pläne Macrons, die auch eine Lockerung des Kündigungsschutzes und mehr befristete Arbeitsverhältnisse mit sich bringen werden, blenden die Sozialdemokraten aus, wenn sie Macron feiern. Dafür aber setzt die SPD darauf, dass der neue französische Präsident ein Verbündeter sein wird, wenn es um mehr gemeinschaftliche Investitionen geht und eine gelockerte Euro-Finanzpolitik.

Die Hoffnung ist berechtigt: Bereits 2015 legten der damalige französische Wirtschaftsminister Macron und der damalige deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Plan für eine europäische Wirtschafts- und Sozialunion vor, der ein Auseinanderfallen Europas in einen reichen Norden und einen armen Süden verhindern sollte. Danach ereignete sich die Flüchtlingskrise und die Brexit-Entscheidung. In ihrem Kern aber haben die Pläne Bestand. Macron wird mit Unterstützung von SPD, Grünen und Linken mehr Solidarität der Deutschen für ein Europa im Wohlstand einfordern.

Ein hoffnungsvoller wie harter Partner

Auch für die nächste Bundesregierung – sei sie unter Merkels oder unter Schulz‘ Führung – wird Macron also ein hoffnungsvoller wie harter Partner. Noch aber wird der 39-jährige Politik-Aufsteiger beiderseits für das Klein-Klein des deutschen Wahlkampfs ausgeschlachtet. So twitterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: „Freue mich über das gute Ergebnis für @EmmanuelMacron. Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!“ Die Antwort von Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) ließ nicht lange auf sich warten: „Macron plant übrigens genau die Liberalisierung für französischen Arbeitsmarkt, die Sie in Deutschland zurückdrehen wollen. Sie finden Reformen nur woanders gut?“

Offen ist, welche Rolle Macron im deutschen Wahlkampf spielen wird. Macron war Mitglied der französischen Sozialisten, was in Deutschland am ehesten der SPD entspricht. Weil er seine Arbeitsmarktreformen als Wirtschaftsminister nicht durchbekam, trat er aus und gründete seine eigene Bewegung. Vielen seiner früheren Parteifreunde gilt er als Neoliberaler.

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