Norbert Blüm wird 80 Und immer noch streitlustig

BERLIN · Bloß kein großer Bahnhof. Das muss nicht sein. Norbert Blüm setzt sich heute lieber auf das Fahrrad. Keine Tour der Leiden, wie die aktuell laufende Frankreich-Rundfahrt auch genannt wird. Das nun wirklich nicht - mit 80.

 Viel erlebt, viel bewegt: Norbert Blüm bürstete den Politikbetrieb gern gegen den Strich, wenn er von einer Sache überzeugt war.

Viel erlebt, viel bewegt: Norbert Blüm bürstete den Politikbetrieb gern gegen den Strich, wenn er von einer Sache überzeugt war.

Foto: dpa

Aber doch eine Tour rund um Schmallenberg im Hochsauerlandkreis, das ist anspruchsvoll genug. So will der frühere Bundesarbeitsminister seinen heutigen 80. Geburtstag begehen. Die Festgemeinde hält der Jubilar bewusst klein: seine Frau Marita, mit der er seit 1964 verheiratet ist, und er. Zwei, die sich genug sind.

Viel erlebt, viel bewegt, viel debattiert, viel gekämpft und natürlich auch viel gelacht - sonst wäre er nicht jener Norbert Blüm, den die Republik mindestens mit diesem einen Satz verbindet, der Versprechen für Generationen war und mit dem demografischen Wandel doch immer stärker in Frage steht: "Die Rente ist sicher."

Für Blüm, am 21. Juli 1935 als Sohn eines Kraftfahrzeugschlossers und Busfahrers in Rüsselsheim geboren, waren Sozialstaat und sozialer Friede immer ein Standortfaktor in und für Deutschland. Unter anderem machte sich der Bundesarbeitsminister in der Ära von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) mit einem von ihm vorgelegten Entsendegesetz gegen Lohndumping auf deutschen Baustellen und die damit verbundene Ausbeutung von Billigarbeitern aus anderen Staaten stark. Dabei prägte Blüm stets auch seine eigene Ära. Ein Typ in der Politik, der gegen den Strich bürstete, wenn er von einer Sache überzeugt war.

[kein Linktext vorhanden]Heute sagt er, fehle ihm doch ein wenig die Passion in der Politik. Bitte, das solle jetzt keine Nostalgie von alten Leuten sein, aber: "Ich finde, dass die Debatten an Leidenschaft verloren haben oder das Empörungspotenzial geringer geworden ist. Das kann man positiv bewerten oder auch negativ. Ich erkläre das eher negativ als Beitrag zur Entpolitisierung", sagte er im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Zum Beispiel der sogenannte Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze, in den auch die Deutsche Bank verwickelt war. Blüm ist sich sicher: "Das hätte früher die Welt erschüttert. Heute sind die politischen Debatten sanfter und sachlicher geworden." Und: "Mir fehlt die Leidenschaft um Alternativen zu kämpfen."

Dabei steht für ihn fest: "Das große Thema bleibt Europa." Wenn der CDU-Politiker heute die Griechenland-Rettungspolitik in Deutschland und in Europa verfolgt, dann drängt es ihn doch zu einem Appell an die Regierenden: "Bleibt nicht beim Geldzählen hängen! Die Krise Europas ist deswegen eine Geldkrise, weil wir Europa dem Geld überlassen haben. Wir haben dem ökonomischen Europa kein vergleichbar politisches zur Seite gestellt." Er habe den Eindruck, dass sich die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten nach einem Gipfel auf ihrem jeweiligen Weg nach Hause vor allem fragten: "Wie reagieren die Märkte? Kann mir mal einer sagen, wer die Märkte sind, wo die wohnen, welche Adresse die haben? Wir müssen aufpassen, dass wir nicht einer völligen Ökonomisierung der Politik zum Opfer fallen", sagt der Jubilar am Vortag seines 80. Jahrestages. "Europa ist größer, als dass es nur Banken und Geld umfasst. Grenzen sind gefallen. Europa ist ein Friedensprojekt. Wir zählen Geld während Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken! Das finde ich unverhältnismäßig. Es müssen die Banken an die Leine gelegt werden."

80 Jahre jung und weiter dabei. Blüm sagt: "Es geht mir gut." Unlängst hat er sich beim Rückblick auf ein politisches Leben durch sein Telefonnotizbuch gewählt. Von A bis Z. Einmal durch, aber doch noch einiges offen. "Sie können immer noch angerufen werden", sagt er durchs Telefon und man hört ihn schmunzeln. Das Telefonbüchlein als Roman. Ach so, 80 Jahre, da fällt ihm noch etwas ein. Ein Rat an Altersgenossen: "Beschäftigt euch nicht nur mit euch selbst. Die beste Medizin ist: Behaltet Freunde, kümmert euch um andere. Wenn du nur mit dir beschäftigt bist, dann biste alt."

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