Politischer Aschermittwoch in Passau Überraschender CSU-Jubel für Europa

Passau · Der CSU-Aschermittwoch in Passau ist die Zeit für Derbes, die Zeit für Attacke. Er war nie Anlass für Pro-Europa. EU-Spitzenkandidat Manfred Weber wagt es dieses Mal trotzdem.

 Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, und Manfred Weber, CSU-Europapolitiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, stehen beim politischen Aschermittwoch der CSU zusammen auf der Bühne.

Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, und Manfred Weber, CSU-Europapolitiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, stehen beim politischen Aschermittwoch der CSU zusammen auf der Bühne.

Foto: dpa

An diesem Aschermittwoch ist in der Dreiländerhalle in Passau nicht so recht klar, ob die größte Herausforderung bei denen auf der Bühne oder bei denen hinter der Bühne liegt. Im Mittelpunkt der Fernsehkameras und der „gefühlt 10.000“ CSU-Fans stehen Bezirkschef Andreas Scheuer, EU-Spitzenkandidat Manfred Weber, CSU-Chef Markus Söder und sein Generalsekretär Markus Blume. In kleinen Kabinen hinter der Bühne sitzen die Dolmetscher, die erstmals simultan alle Reden ins Englische übersetzen. 40 angereiste Journalisten aus ganz Europa sollen in Echtzeit hören, welche Botschaft dieses Mal von Passau in die Welt gehen. Auch „klare Kante“, auch „mia san mia“, auch „running after the Zeitgeist“ - Niederbayerisch-Englisch, Fränkisch-Englisch, eine Challenge.

Aber es ist auch eine Herausforderung, am „größten Stammtisch der Welt“ Pro-Europa-Stimmung zu schaffen. Denn früher wussten CSU-Wahlkämpfer, dass sie mit ein paar heftigen Angriffen auf Europa gewöhnlich schnell die Lufthoheit über den Stammtischen gewinnen. Weber versucht es anders herum. Den ersten Beifall gewinnt er mit einer Anleihe bei CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrer Bewerbungsrede als Generalsekretärin. Ähnlich wie sie sagt er: „Ich will, ich kann und ich werde Kommissionspräsident werden.“

Später wird auch Söder den Schulterschluss mit Kramp-Karrenbauer suchen: „Der neue Kurs der CDU ist der alte Kurs der CSU“, fasst er zusammen, versehen mit dem Versprechen, dass Kramp-Karrenbauer und er dafür stünden, dass sich 2015 und der Streit danach nie wiederholen würden. Eine Premiere in Passau: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak klatscht mit. Im dunkelroten Janker. Und mit dem Bekenntnis: „Ich bin ein großer Fan Bayerns.“

Weber gibt sich kämpferisch in Richtung USA

Weiter in Webers Rede. Lebhaften Applaus gibt es für seine Europa-Passagen zum Kontinent der Freiheit und zum Kontinent des Friedens. Großen Beifall erntet er mit seiner Schilderung von der bulgarisch-türkischen Grenze. Mit dem 180 Kilometer langen und fünf Meter hohen Zaun, „damit nicht mehr Mafia und Schlepperbanden entscheiden, wer europäischen Boden betritt.“ Dieses Europa gefällt dem Publikum besonders.

Es stimmt verhalten auch seinen Ansagen zu einem Marschall-Plan für Afrika und seiner Drohung gegenüber US-Präsident Donald Trump zu. USA und Europa seien wirtschaftliche auf Augenhöhe. Und wenn Trump Zölle auf niederbayerische Autos erhebe, „dann werden wir darauf antworten müssen“, kündigt Weber kämpferisch an. Eher ruhig wird es, als Weber darauf zu sprechen kommt, dass auch 40 Prozent aller Anwesenden im Saal mit Krebs konfrontiert sein würden. Seine Vorstellung von Europa: alle Gelder, alle Experten, alle Daten zusammenführen und einen Masterplan gegen den Krebs entwickeln, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Gleich darauf drückt er die Jubel-Taste: „Als Kommissionspräsident werde ich die Kommission anweisen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu beenden.“ Es ist also doch wieder eine Gegen-Positionierung, mit der es beim CSU-Aschermittwoch das lauteste Jauchzen gibt. Daran kommen auch die weiteren Beifallsthemen nicht mehr heran: Dass die US-Internet-Giganten sich in Europa an europäische Regeln zu halten und Steuern zahlen müssten. Kurz noch eine Erinnerung an den legendären Franz Josef Strauß, dann darf Weber minutenlangen Schlussapplaus, ja standing ovations, genießen.

Söder schießt gegen die AfD

Sogar ein Aschermittwochsvollblutredner wie Markus Söder hat es da anfangs schwer, die Stimmung mit Nicht-Europa-Themen wieder hoch zu bringen. Aber natürlich schafft er es, als er sich prononciert an AfD, SPD und Grünen abarbeitet. Den zur AfD gewechselten früheren Unionsanhängern ruft er unter donnerndem Applaus zu: „Kehrt zurück und lass die Nazis in der AfD allein!“ Die SPD warnt er, die Latte für die Halbzeitbilanz in Berlin zu hoch zu hängen und neue Koalitionsverhandlungen anzusteuern. „Das No-GroKo-Genörgel geht den Deutschen auf den Geist“, ruft er in den Saal. Er kündigt an, die „verkorkste Monsterreform“ bei der Grundsteuer nicht mitzumachen und ruft die Schüler im Lande auf, für den Klimaschutz Freitags Nachmittags oder Samstags Früh zu demonstrieren.

Plakativ setzt sich Söder mit den Naturschutz-Initiativen auseinander: „Rettet die Bienen, aber rettet auch die Bauern.“ Intensiv vergleicht er die Umweltschutz-Bilanz Bayerns mit der von Schleswig-Holstein, die Grünen-Chef Robert Habeck zu verantworten habe. Mit dem vergleicht er sich auch persönlich. Er kommt unrasiert und mit offenem Hemd auf die Bühne und sagt: „So lässig wie der sind wir schon lange, nur wächst bei uns mehr“, und streichelt sich ums Stoppelbart-Kinn.

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