Halbzeit bei den Klimagesprächen in Bonn Teilnehmer sind mit Fortschritt der Konferenz zufrieden

Bonn · Nach der ersten Hälfte der UN-Klimakonferenz ziehen viele Teilnehmer ein positives Fazit. In einigen Punkten herrscht aber noch Uneinigkeit.

 Cop23 ist die Abkürzung für „23th Conference of the Parties“, also der 23. Konferenz der Vertragsparteien, die an der UN-Klimarahmenkonvention beteiligt sind – ein Bild aus dem chinesischen Pavillon auf der Konferenz in Bonn.

Cop23 ist die Abkürzung für „23th Conference of the Parties“, also der 23. Konferenz der Vertragsparteien, die an der UN-Klimarahmenkonvention beteiligt sind – ein Bild aus dem chinesischen Pavillon auf der Konferenz in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

„Unaufgeregt, freundlich, positiv.“ So hatte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, die Stimmung am zweiten Tag der UN-Klimakonferenz charakterisiert, und diese Einschätzung hat sich auch am Freitag nicht geändert: „Es wird überall konkret an Verhandlungsfortschritten gearbeitet“, sagte er, „die sonst in den ersten Verhandlungswochen zu beobachtenden Bemühungen, den Prozess gar nicht erst richtig starten zu lassen, sind ausgeblieben.“ Selbst die USA verhalten sich unauffällig.

Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein: „Die Konferenz ist auf dem richtigen Weg“, sagt Manuel Pulgar-Vidal, 2014 Präsident der Cop20 in Peru und heute für globale Klimafragen bei der Umweltorganisation WWF zuständig. „Konstruktiv“ seien die Gespräche bisher, meint Sven Harmeling, für Klimapolitik zuständig bei der Hilfsorganisation Care International. Ähnlich auch Lutz Weischer, Klimaexperte bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch: „Die Verhandler arbeiten zielorientiert, aber noch nicht schnell genug'“, lautet sein Fazit der ersten Verhandlungswoche.

Industrieländer von ärmeren Ländern genervt

Also alles in Butter? Natürlich nicht, darüber kann auch die grundsätzlich gute Stimmung nicht hinwegtäuschen. Die Industrieländer nervt zum Beispiel, dass die armen Länder versuchen, in beinahe jede Verhandlungsgruppe das Thema Finanzierung hineinzutragen. Für Flasbarth ist die Skepsis gegenüber derartigen Vorstößen eine Frage der „Verhandlungshygiene“: Wenn man in jeder Gruppe alles anspreche, dann komme man gar nicht weiter, ist seine Überzeugung.

Aber es gibt dickere Brocken. Einer der größten Streitpunkte ist die Weigerung vieler Industrieländer (darunter die USA, die EU, Kanada und Japan), auf der Konferenz in Bonn über Klimaschutzmaßnahmen zu sprechen, die sie vor 2020 ergreifen müssen. Festgelegt wurde dies in einer Novelle zum Kyoto-Protokoll bei der Klimakonferenz in Doha 2012. Damals wurde beschlossen, dass die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen zwischen 2013 und 2020 senken und Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern finanziell unterstützen.

Doch bis heute haben nur 84 Nationen diese Novelle ratifiziert – damit sie in Kraft tritt, müssten 144 Nationen unterschreiben. Die EU ist bisher ebenso wenig dabei wie Deutschland. Staatssekretär Flasbarth zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass sich dies bald ändern könne. Die EU strebt die einstimmige Unterstützung aller Mitgliedstaaten an. Flasbarth hofft, dass Polen, das sich als letztes EU-Land querstellt, bald einlenkt.

„Die Konferenz ist wie ein Schwan“

Vertreter von Nichtregierungsorganisationen wie Weischer oder Harmeling haben Verständnis für die Forderung der Entwicklungsländer. „Man kann nicht über die Zukunft reden, wenn die Versprechungen der Vergangenheit noch nicht eingelöst sind“, erklärt Harmeling. Schließlich sei die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen schon vor 2020 eine Voraussetzung dafür gewesen, dass die Entwicklungsländer dem Pariser Klimaschutzabkommen zugestimmt hätten. In den vergangenen Tagen wurde das Thema in informellen Runden diskutiert, an diesem Samstag soll nun eine Entscheidung fallen, wie es weitergeht.

Und es gibt weitere Baustellen: Offen ist, was mit dem Anpassungsfonds wird, aus dem Unterstützung für von den Folgen des Klimawandels betroffene arme Länder finanziert wird. Die Entwicklungsländer wollen, dass er in das Pariser Abkommen integriert wird. Deutschland, signalisiert Flasbarth, würde diesem Wunsch nicht entgegenstehen. Mehr Klarheit wollen Entwicklungsländer auch darüber, wie künftig mit Verlusten und Schäden umgegangen wird, die Länder durch den Klimawandel etwa in Form von extremen Wetterereignissen erleiden. Vor allem die Finanzierungsfrage ist noch völlig offen. Es gibt also reichlich zu tun für die zweite Verhandlungswoche, wenn die Minister und Staatschefs anreisen.

Dann wird man sehen, ob das Bild, das ein ungenannter Teilnehmer vom bisherigen Verlauf der Klimakonferenz gezeichnet hat, noch stimmt: „Die Konferenz ist wie ein Schwan“, beschrieb er die Lage. „Über der Wasseroberfläche ganz ruhig, aber darunter wird kräftig gepaddelt, damit es vorangeht.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort