Wirbel nach Aussagen SPD verweist Seehofer und Spahn auf Koalitionsvertrag

Berlin · Hartz-IV-Bezieher sind nicht arm, und der Islam gehört nicht zu Deutschland? Die Aussagen von Horst Seehofer und Jens Spahn haben auch den Koalitionspartner verärgert. Die FDP fordert ein Machtwort.

 Innenminister Horst Seehofer spricht im Bundestag.

Innenminister Horst Seehofer spricht im Bundestag.

Foto: Kay Nietfeld

Die SPD hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Mäßigung aufgerufen.

"Ich rate beiden Ministern, möglichst zu tun, was ihre Aufgabe ist, nämlich den Koalitionsvertrag umzusetzen", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Malu Dreyer dem "Tagesspiegel" (Montag). Spahn hatte erklärt, die Bezieher von Hartz IV seien nicht arm. Seehofer beharrt darauf, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihm widersprochen hatte, sagte der CSU-Chef dem "Spiegel": "Ich werde meine Politik nicht um ein Jota ändern."

Dreyer warf der CSU vor, den Islam als Religion indirekt mit der Gefahr des islamistischen Terrorismus zu vermischen. "Das ist populistisch." Es sei keine Lösung, wenn Politiker bei Menschen, die ohnehin Vorbehalte gegen den Islam hätten, leichtfertig Vorurteile schüren würden. Aus Sicht der FPD will Seehofer "einen Spaltpilz in die Unionsparteien treiben". Merkel dürfe sich das nicht gefallen lassen, sagte der religionspolitische Sprecher Stefan Ruppert. "Sie muss ihre Richtlinienkompetenz ernst nehmen, Führungsstärke beweisen und Seehofer zur Ordnung rufen."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigte die Position seiner Partei in der Islam-Debatte. "Die CSU gibt der Mehrheit der Menschen eine Stimme, die unsere kulturellen Wurzeln und die christlich-jüdische Prägung unseres Landes auch in Zukunft erhalten wollen", sagte er der "Bild am Sonntag". Die CSU im Bundestag stehe geschlossen zu den Aussagen Seehofers. Die CSU sei nicht bereit, die kulturelle Identität Deutschlands aufzugeben. Und: "Multikulti ist gescheitert. Politische Korrektheit ist keine Heimat."

Der Zentralrat der Muslime rief alle Seiten zur Mäßigung auf. "Ich schlage vor, dass sich nun alle wieder einkriegen", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek der "Bild am Sonntag". "Man könnte glauben, die Islamfrage ist unser wichtigstes Thema. Das finde ich peinlich. Im Ausland, wo Deutschland als weltoffen gilt, schüttelt man inzwischen entgeistert den Kopf."

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, in der freien Wirtschaft hätte Seehofer schon längst eine Abmahnung erhalten. "Wenn die CSU weiter eine Politik gegen die Kanzlerin macht, wird es Zeit, dass die CDU ernsthaft darüber nachdenkt, ob eine Fraktionsgemeinschaft mit der CSU noch Sinn macht."

FDP-Vize Alexander Graf Lambsdorff nannte Seehofers Satz in der "Augsburger Allgemeinen" (Montag) "sehr unglücklich". Er sei "akademisch vielleicht nicht völlig falsch, politisch aber unproduktiv und spalterisch".

CSU-Generalsekretär Markus Blume warf Kritikern aus der CDU eine bewusste Missinterpretation von Seehofers Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, vor. "Wer diesen Satz als Akt der Ausgrenzung sieht, der handelt böswillig und versteht die Debatte nicht", sagte Blume der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). "Horst Seehofer hat ja im nächsten Satz auch gesagt, dass selbstverständlich die Menschen muslimischen Glaubens zu diesem Land gehören." Nicht Seehofers Satz, sondern die Unterdrückung der "notwendigen Debatte" spalte das Land, befand Blume.

Davor warnte auch Dobrindt: "Wenn die Menschen den Eindruck haben, es gebe einen Maulkorb, ist das Ergebnis der Protest", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Für die große Koalition bedeutet das, breite Debatten zu führen und nicht sie zu vermeiden. Das gilt auch für die Islam-Debatte."

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