Straßen, Schienen, Kitas Soll der Staat mehr investieren?

Berlin · SPD und Gewerkschaften wollen für Straßen, Schienen und Kitas zur Not Schulden aufnehmen. Union und Wirtschaft sind dagegen.

 Eine Baustelle auf einer Autobahn. Sie zeigt an: Hier wird investiert. Nach Meinung von SPD und Gewerkschaften reichen die Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen nicht aus.

Eine Baustelle auf einer Autobahn. Sie zeigt an: Hier wird investiert. Nach Meinung von SPD und Gewerkschaften reichen die Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen nicht aus.

Foto: grafik

Der Neujahrsfriede zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD fällt aus. Kaum hat das Jahr 2020 begonnen, geht der Koalitionsstreit um die Finanzierung notwendiger Investitionen in die nächste Runde. Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben darauf gedrungen, beispielsweise für neue Straßen, Schulgebäude und bezahlbare Wohnungen das Prinzip des öffentlichen Haushalts ohne Neuverschuldung aufzuweichen.

Auch die Gewerkschaften hatten sich für eine massive Erhöhung staatlicher Ausgaben eingesetzt und zudem die Schuldenbremse infrage gestellt. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der Deutschen Presseagentur: „450 Milliarden binnen zehn Jahren, wie führende Institute vorgerechnet haben, sind eine realistische Größenordnung.“ Die sogenannte schwarze Null sei nicht mehr zeitgemäß.

Sie ist das politische Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Neuverschuldung. Die Schuldenbremse soll die Neuverschuldung eindämmen, erlaubt dem Bund aber, Kredite in kleinem Umfang aufzunehmen – etwa um das Wachstum zu stärken. Sie hat entgegen der schwarzen Null Verfassungsrang, ist also im Grundgesetz verankert. Doch schon seit Monaten wachsen vor allem bei Sozialdemokraten Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Regeln im Kampf gegen das Schuldenmachen, weil die Kreditkonditionen angesichts niedriger Zinsen so günstig sind.

Die Sozialdemokraten wollen vor allem in bestimmten Bereichen investieren. „Es geht um frühkindliche Bildung, Verkehrswege, Digitalisierung, Klima“, sagte SPD-Chef Walter-Borjans. „Die Zustände, die wir hier zum Teil haben, sind mit dem Wohlstandsniveau in einem Land wie Deutschland nur schwer zu vereinbaren“, erklärte der ehemalige Finanzminister von Nordrhein-Westfalen. „Wir wollen eine Perspektive für zehn Jahre“, sagte Walter-Borjans. Wenn die Kassenlage es zulasse, diese Investition ohne Kredite zu tätigen, sei das natürlich umso besser. „Wenn die Kassenlage es nicht zulässt, darf man die Investitionen aber nicht wieder zurückfahren.“

DGB-Chef Hoffmann argumentierte mit der Generationenfrage: „Es ist falsch zu behaupten, staatliche Investitionen gingen zu Lasten der jungen Menschen“, sagte er. Das Gegenteil sei der Fall. „Die Lasten für sie sind um ein Vielfaches größer, wenn wir ihnen eine marode Infrastruktur und kaputte Schulen hinterlassen.“

Unionsvertreter, aber auch Wirtschaftsverbände wollen nicht gelten lassen, dass es besser sei, von der schwarzen Null abzurücken. Eckhardt Rehberg (CDU), Haushaltsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, erteilt den Forderungen von SPD und DGB eine Absage. „Es bleibt dabei, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde: keine neuen Schulden und keine Lockerung oder Umgehung der Schuldenbremse.“ Er hält die Debatte um die schwarze Null für „absurd“.

Es brauche keine Schulden, um die Vorhaben zu finanzieren. „Wir stellen im Bund genügend Geld zur Verfügung, nun muss es endlich auch abfließen“, sagte Rehberg. Der gerade beschlossene Bundeshaushalt für das neue Jahr 2020 sehe Rekordinvestitionen von insgesamt 43 Milliarden Euro etwa für die digitale Infrastruktur, die Sanierung und den Ausbau von Kitas und Schulen, die Verkehrsinfrastruktur und den Klimaschutz vor. „Wir haben in Deutschland kein Finanzierungsproblem sondern ein Umsetzungsproblem“, so der CDU-Politiker.

Auch Wirtschaftsvertreter sehen neue Schulden kritisch. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer mahnte, er würde an die Schuldenbremse „niemals rangehen.“ Wenn man nun wieder großzügig Schulden aufnehmen würde, verlagere man den Kapitaldienst auf die nächste Generation, so Kramer. Er räumte zwar einen Investitionsstau ein. Der offenbare aber vor allem Probleme bei Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Schwierigkeiten bei solchen Verfahren existieren auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Bis zu anderthalb Jahre benötigen etwa Sachbearbeiter für Bauanträge. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf von CDU und FDP will mit neuen Digitalstandards die Bearbeitungszeit auf sechs Wochen drücken. Viele solcher Investitionen laufen gerade an oder sind im Landeshaushalt geplant. Der Bedarf ist groß: Allein für Kindertagesstätten stehen Milliarden zur Verfügung, um beispielsweise das zweite Betreuungsjahr kostenfrei zu machen, eine Milliarde fließt in den sozialen Wohnungsbau, um die Mietenexplosion in NRW-Großstädten zu stoppen.

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