Kurden-Demo in Köln So zeigt sich der türkisch-kurdische Konflikt in Deutschland

Wird Deutschland in den türkisch-kurdischen Konflikt hineingezogen? Verschiedene Gruppen haben für diesen Samstag zu einer Großdemo in Köln aufgerufen. Mindestens 15.000 Teilnehmer werden erwartet.

 Protest gegen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien: Demonstration mit Fahnen der YPG am vergangenen Wochenende in Hamburg.

Protest gegen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien: Demonstration mit Fahnen der YPG am vergangenen Wochenende in Hamburg.

Foto: dpa/Axel Heimken

An diesem Samstag ist Großalarm in Köln: Mehrere linke Bündnisse, darunter die „Interventionistische Linke Köln“ und das „Antifaschistische Aktionsbündnis Köln gegen Rechts“ haben 15 000 Teilnehmer zu einer Demonstration angemeldet, darunter viele Kurden, um gegen die türkische Offensive in Nordsyrien zu protestieren. Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob teilte am Freitag mit, man prüfe ein Vebot der Kundgebung. Da europaweit zu der Demo aufgerufen worden sei, rechne man nun aber mit mindestens 20 000 Teilnehmern, sagte Jacob – auch aus dem türkisch-nationalistischen Milieu. Die Polizei habe zudem konkrete Anhaltspunkte, dass sich mehrere Tausend gewaltbereite Menschen auf die Teilnahme vorbereiteten.

Wer sind die Kurden?

  • Die Kurden sind eine eigene Volksgruppe, die mehrheitlich dem muslimischen Glauben angehört. Es gibt aber auch Aleviten, Jesiden, Christen und Juden unter ihnen. Sie eint die kurdische Sprache, einen eigenen Staat gibt es nicht. Der Begriff Kurdistan meint ein historisches Siedlungsgebiet, das sich über mehrere Landesgrenzen erstreckt. Die meisten Kurden, weltweit sind es etwa 25 bis 30 Millionen, leben in der Türkei, in Syrien, dem Irak und Iran. Einst waren viele Kurden in Stämmen organisiert, die als Nomaden lebten.

Was hat es mit der PKK und ihren Ablegern auf sich?

  • Die Arbeiterpartei Kurdistans, kurz PKK, ist eine sozialistisch ausgerichtete Untergrundorganisation. Sie wurde 1978 von Abdullah Öcalan in der Türkei gegründet und hatte stets die politische Autonomie kurdischer Siedlungsgebiete zum Ziel. Sie sieht sich als Kämpferin gegen die lange Geschichte der Unterdrückung von Kurden in verschiedenen Ländern. In der Türkei ist sie als Terrororganisation verboten. Die PKK unterhält etwa im Nordirak Guerillaeinheiten, die sogenannten Volksverteidigungskräfte (HPG). Auch die in Nordsyrien dominierenden kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) haben enge Verbindungen zur PKK. Die YPG-Milizen waren die wichtigsten Verbündeten der westlichen Allianz gegen den Islamischen Staat in Syrien. Den Kurden ist die militärische Niederlage des IS zu verdanken. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan rechtfertigt die Offensive mit der Sorge, die YPG-Milizen und andere kurdische Einheiten könnten für ein zusammenhängendes Kurdistan kämpfen.

Welche Gruppierungen gibt es in Deutschland und wie viele leben hier?

  • In Deutschland leben Schätzungen zufolge rund 1,2 Millionen Kurden. Viele von ihnen kamen in den 1960er und 70er Jahren als Arbeitskräfte nach Deutschland. Ende der 80er Jahre, als das irakische Regime von Diktator Saddam Hussein brutal vor allem gegen Kurden vorging und 180 000 Menschen ihr Leben verloren, kamen zudem viele kurdische Flüchtlinge nach Deutschland. Unter den mehr als eine Million Kurden rechnet der Verfassungsschutz mit etwa 15 000 PKK-Anhängern. Die meisten Versammlungen von Kurden verliefen in der Vergangenheit friedlich.

Welche Gefahren ergeben sich aus dem Konflikt für Deutschland?

  • Bei den vielen Kundgebungen von Kurden ist es in den vergangenen Tagen auch zu Gewalt gekommen. Mehrere Demonstranten und Polizeibeamte wurden verletzt, es kam zu Sachbeschädigungen und Übergriffen auf türkische Einrichtungen. Provokationen gibt es sowohl auf türkischer wie auf kurdischer Seite. In Lüdenscheid erlitt ein 50-jähriger türkischer Unterstützer eine Schnittwunde im Rücken, nachdem ihn ein Kurde mit einem Messer attackiert hatte. Neben solchen gewaltsamen Zusammenstößen sieht der Verfassungsschutz das hohe Mobilisierungspotenzial der PKK mit Sorge. Nach wie vor sei die PKK die schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland, so die Behörde. Sie sei in der Lage, Personen weit über den Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. In Deutschland werden demnach Guerillaeinheiten rekrutiert.

Steigt die Gefahr durch den IS?

  • Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die von den Kurden gefangen gehalten werden, die Kriegswirren zur Flucht nutzen. Darunter sind auch deutsche Staatsbürger. Eine Gelegenheit zur Flucht könnte sich auch für die IS-Frauen und ihre Kinder ergeben, die in den syrischen Lagern Roj und Al-Hol leben. Die Kurden und ihre bisherige Schutzmacht USA haben Deutschland und andere Staaten mehrfach aufgefordert, ihre Staatsangehörigen zurückzuholen. Deutschland verwies bisher auf teilweise noch ungeklärte Identitäten und mögliche Risiken für die deutsche Bevölkerung. Organisiert wurde vom Auswärtigen Amt nur die Ausreise einiger Kinder. Nach Angaben der Bundesregierung waren Ende September 111 aus Deutschland ausgereiste Islamisten in Syrien in Haft. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang sagte dazu dem „Spiegel“: „Der Konflikt in Nordsyrien könnte auch dazu führen, dass ausländische IS-Kämpfer aus den Gefängnissen freikommen und nach Europa zurückkehren, im schlimmsten Fall unbemerkt.“

Wie reagieren deutsche Politiker auf den Konflikt?

  • Der Koordinator der Bundesregierung für die Transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer, sagte unserer Redaktion: „Die Invasion der Türkei im Nordosten Syriens ist gefährlich und falsch.“ Und Washington hätte die kurdischen Verbündeten im Kampf gegen den IS nicht alleine lassen dürfen. Linken-Fraktionsvize Sevim Dagdelen forderte einen Stopp deutscher Finanzhilfen für die Türkei und „individuelle Strafmaßnahmen gegen Erdogan.
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