Clübchen-Bildung in Berlin So sieht die Zukunft der großen Koalition aus

Berlin · Für die Koalition in Berlin bricht mit drei Parteichefs, die nicht in der Regierung sitzen, eine neue Zeitrechnung an. Wie das funktionieren kann und welche Themen anstehen.

Angela Merkel macht sich keine Illusionen. Auch wenn der Wechsel an der CDU-Spitze mit der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers in ihrem Sinne verlaufen ist – das Regieren für den Rest ihrer Kanzlerschaft wird schwerer. 13 Jahre lautete Merkels Mantra, dass Kanzleramt und Parteivorsitz in eine Hand gehören. Je weniger Meinungen und Kompromisse, desto schneller und leichter die Entscheidungen. Und das war in all den Jahren schon schwer genug. Wenn Markus Söder Anfang nächsten Jahres den bisherigen CSU-Chef Horst Seehofer ablöst, wird keiner der Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD noch der Regierung angehören. Auch das gehört zur neuen schwarz-roten Zeitrechnung.

Besonders gewöhnungsbedürftig ist die Trennung der Ämter für die CDU, deren heutigen Mandatsträger und Spitzenpolitiker die neue Konstellation noch nie erprobt haben. Dazu kommt die Ansage von Kramp-Karrenbauer, dass die politischen Leitlinien zunächst in der Partei entwickelt würden, dann in die Bundestagsfraktion kämen und erst danach in die Regierung. Viele Abgeordnete halten das für kühn – vor allem jene, die voll auf den früheren Fraktionschef Friedrich Merz als neuen Parteivorsitzenden gesetzt hatten und jetzt frustriert über die entgegengesetzte Richtungsentscheidung sind.

Was die Kooperation zwischen Partei und Parlament betrifft, bleibt der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer am Dienstag diplomatisch. „Das ist immer ein Wechselspiel“, sagt er. Die Fraktion kontrolliere ja schließlich die Regierung. Ihm ist jedoch klar, dass sich Kramp-Karrenbauer „selbstbewusst einmischen“ wird. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht mit der neuen Personal-Konstellation drei „Kraftzentren“. Neben den Club der Regierungsmitglieder und den Club der Fraktionsvorsitzenden trete der Club der Parteichefs. Dobrindt verspricht sich davon eine neue „Dynamik“. Dabei weiß man bei ihm nie genau, ob er so etwas positiv oder eher destruktiv meint. Denn Dynamik entwickelten CDU, CSU und SPD im Sommer und im Herbst vor allem im Streit.

Für die CSU wird der voraussichtliche Wechsel von Seehofer zu Söder an der Parteispitze in jedem Fall eine Herausforderung. Söder würde lieber einen großen Bogen um Berlin machen. In seinem Landtagswahlkampf hatte er auf größtmögliche Distanzierung zur eigenen Bundesregierung gesetzt. Auch Ministerpräsidentenkonferenzen empfand er oft als Zeitverschwendung und in seiner Zeit als Landesminister schwänzte er mitunter wichtige Treffen. Jetzt aber muss er mit an den Tisch.

SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hat dagegen Sitzfleisch und gilt als Profi, was Nacht- und sonstige Sitzungen angeht. Das Entscheidende wird aber sein, ob die Drei einen Modus finden, wie sie diese Koalition bis zu ihrem regulären Ende im Jahr 2021 retten können.

Die erste Probe in Sachen neue Abstimmung läuft schon: Der Streit um den Paragrafen 219a, der ein Werbeverbot für Abtreibungen festlegt. Entgegen erster Planungen soll es in dieser Woche noch keinen Koalitionsausschuss mit der neuen CDU-Chefin geben – aber am Mittwoch ein Treffen der zuständigen Ministerinnen und Minister. In den Fraktionssitzungen von Union und SPD hieß es übereinstimmend, dass Kanzleramtsminister Helge Braun, Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU), Innenminister Seehofer (CSU) sowie Justizministerin Katarina Barley und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) am Mittwoch zusammenkommen sollen.

Nach Informationen aus SPD-Kreisen sollen die Minister auch bereits am Mittwoch erste Ergebnisse vorstellen. In der Unionsfraktion hieß es, es dürfe keine Aufweichung des Lenbensschutzes geben. SPD-Fraktionschefin Nahles warb für eine Reform des Paragrafen 219a, weil sie weiß, dass eine Abschaffung mit der Union nicht machbar ist. Nach Teilnehmerangaben erhielt sie breite Rückendeckung für ihre Forderungen, dass es Informationen für die betroffenen Frauen und Rechtssicherheit für die Ärzte geben müsse.

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