Rückkehr zu altem Schulmodell So sehen in NRW die Pläne für G9 aus

Düsseldorf · Die NRW-Landesregierung legt einen ambitionierten Gesetzentwurf für die Rückkehr zu G9 vor. So soll die Rolle rückwärts gelingen.

Befriedung, Akzeptanz, Ruhe an den Schulen: Das sind Begriffe, die in der Diskussion um die gymnasiale Schulzeit in Nordrhein-Westfalen zum Grundwortschatz gehören. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag hat das Vokabular um das Wort „unbürokratisch“ ergänzt, was die Gymnasien angeht, die die Rückkehr zu G9 nicht mitmachen und bei G8 bleiben wollen. Seit gestern liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der die Rolle rückwärts zu G9 regeln soll, ein pralles Paket Schulrecht. Ein näherer Blick legt die Vermutung nahe: Es wird zumindest mittelfristig schwierig mit den guten Vorsätzen. Denn auch, wenn Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) ihre Pläne konkretisiert hat – neue Fragen stellen sich.

Das Personal Wer die Gymnasialzeit um ein Jahr verlängert, braucht mehr Lehrer. Mit 2300 Stellen mehr rechnet das Ministerium. Mehr Lehrer brauchen aber nicht nur die Gymnasien, sondern auch Grundschulen und Inklusionsklassen. Der Mangel ist allgegenwärtig; viele Gymnasien liegen jetzt schon unter der Marke von 100 Prozent besetzter Stellen. Schwarz-Gelb strebt laut Koalitionsvertrag eine Versorgung von 105 Prozent an – zusätzlich zum G9-Umbau.

Kosten für Personal und Räume sind hoch

Die Kosten „Die finanzielle Situation ist nicht haltbar“, schimpft die Landesschülervetretung und fordert mehr Lehrer und Sonderpädagogen. G9 ist teuer, nicht nur beim Personal. Sobald die ersten Jahrgänge die Klasse 13 erreichen, werden auch mehr Räume nötig, 150 allein in Köln. Beträge nennt das Ministerium nicht – das sei nicht seriös. Gebauers Haus ist peinlich bemüht, die Kostenfrage einvernehmlich mit den Kommunen zu klären, denn denen muss das Land zusätzliche Sachkosten ersetzen. Alle Beteiligten belastet noch das Gezerre um die Kosten für die Inklusion, das bis vors Verfassungsgericht in Münster führte. Eine Wiederholung soll unbedingt vermieden werden – auch um den Preis, gar keine Zahlen zu nennen.

Die Kommunen 2019 ist für NRW eine Art schulrechtlicher Jahrhundertmoment: Einmal haben die Gymnasien so viel Macht wie nie vorher und so schnell nicht wieder. Sie dürfen selbst über ihren Bildungsgang entscheiden – das macht sonst der Träger. Allerdings wird das Ministerium der Freiheit Grenzen setzen. „Zwingende“ Gründe sollen den Trägern ermöglichen, ein Veto gegen die Schulentscheidung einzulegen, bei G8 zu bleiben. Das schließe, heißt es, ausdrücklich nicht den Wunsch nach einem guten Mix zwischen G8- und G9-Schulen ein. Es könnte aber den Fall betreffen, dass etwa in einem Stadtteil beide vorhandenen Gymnasien bei G8 bleiben wollen – eine lokale „Unwucht“, wie Gebauers Planer sagen. Jedenfalls sind die Übergänge fließend, und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich Konflikte zwischen Schulen und Trägern vorzustellen. Bereits bei dem runden Dutzend Gymnasien, die im Zuge eines Schulversuchs 2011 zu G9 zurückkehrten, gab es solche Reibereien.

Die Anmeldungen Ein ganz konkretes Problem trifft die Eltern, die ihr Kind 2018 an einem Gymnasium anmelden wollen. Diese Kinder sind 2019 Sechstklässler, also mit den dann neuen Fünftklässlern von der Umstellung auf G9 betroffen. Der Zeitplan des Ministeriums sieht allerdings eine verbindliche Entscheidung der Schulen für oder gegen G9 erst bis zum Sommer 2018 vor. Weit davor liegen die Anmeldetermine. Die Schulen stehen also unter Druck, sich zumindest inoffiziell festzulegen – ohne aber zu wissen, was das Land ihnen als Stärkung anbietet, wenn sie bei G8 bleiben.

Volksbegehren gegen G8 und Gegenentwurf "G9 jetzt"

Die Elterninitiativen Was über die Regierungsbildung fast hätte in Vergessenheit geraten können: Gegen G8 in NRW läuft noch ein Volksbegehren. Die Initiative „G9 jetzt“ sammelt Unterschriften für einen konkurrierenden Gesetzentwurf, der eine komplette Rückkehr zu G9 vorsieht. Sammelt sie bis Januar 1,1 Millionen Stimmen, wandert der Entwurf in den Landtag; wenn der ihn ablehnt, folgt ein Volksentscheid.

Die Inhalte Wenn das Gesetz verabschiedet ist, beginnt die nächste Mammutaufgabe erst. Den G9-Konflikt hat die neue Landesregierung sozusagen geerbt; die Stärkung der Schulform Gymnasium aber ist genuin schwarz-gelbes Programm. G9 soll dafür erst die Voraussetzung sein. Gebauer plant, wie sie gestern betonte, im neuen G9 die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Deutsch und die erste Fremdsprache zu stärken, digitale Fähigkeiten sowieso. Und ein Fach Wirtschaft soll es ja auch noch geben. Das ist schon ziemlich viel, wenn die gewonnene Zeit nicht nur für mehr Stoff, sondern auch zur Vertiefung genutzt werden soll. Gebauer will aber zudem in den Lehrplänen wieder mehr Wert auf konkrete Inhalte legen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort