Buhlen um EU-Agenturen So könnte Bonn vom Brexit profitieren

Brüssel · Die EU-Mitgliedsstaaten konkurrieren um die bisher in London ansässige Bankenaufsicht und die Europäische Arzneimittelagentur. Auch Bonn hat ein Interesse an der Diskussion um deren Zukunft.

Eines haben alle Bewerber gemeinsam: Jeder ist davon überzeugt, die beste Wahl für die Europäische Arzneimittelagentur EMA sowie die Bankenaufsicht EBA zu sein. Dass es viele Kandidaturen um den zukünftigen Standort der beiden derzeit noch in London ansässigen EU-Agenturen geben wird, war absehbar. Doch mit einer Auswahl von 27 dürfte die Entscheidungsfindung der ebenfalls 27 verbleibenden Mitgliedstaaten nicht einfach werden. Zumal sich die Bewerber größte Mühe gaben, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Während Luxemburg sich schlicht als „natürliche Wahl“ für die Finanzaufsichtsbehörde sah und dafür sogar ein „mietfreies, modernes Bürogebäude“ bereitstellen wollte, versuchten sich andere Städte mit aufwendigen Bewerbervideos. Bonn, Kandidatin für die Medikamentenbehörde, machte darin Gesundheitsminister Hermann Gröhe zum Star. Der Ressortchef präsentierte auf Englisch die einstige Bundeshauptstadt als jene mit „den besten Bedingungen in ganz Europa“, immerhin gibt es ein Universitätsklinikum. Selbstredend würde ein völlig neues Gebäude für die EMA geschaffen – „einhundertprozentig auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten“.

Pfiffiger trat da schon Amsterdam auf, das damit warb, dass „auch wir eine sehr stylische Königin“ haben und außerdem „Fish and Chips genießen“. Aber auch gemessen an den ausschlaggebenden Kategorien wie der Erreichbarkeit, der Verkehrsanbindung sowie der Infrastruktur wie internationale Schulen für Kinder und Arbeitsplätze für mitgereiste Partner dürfte die niederländische Hauptstadt gute Chancen haben. Vom Amsterdamer Businessviertel sind es nur zehn Minuten zum Flughafen Schiphol: „mit der größten Anzahl von Flügen in der EU“.

Auch Brüssel ging ins Rennen und bewarb sich gleich für beide Agenturen. Die EU-Metropole, in der ohnehin bereits die Hauptsitze der drei wichtigsten EU-Institutionen und einiger ihrer Behörden liegen, verlegte sich auf wirklich durchschlagende Argumente, um die Inselbewohner aufs Festland zu locken: 1500 Sorten belgisches Bier. Und bitte, nicht zu vergessen, belgische Schokolade. Dennoch spricht durchaus noch mehr für die Stadt, die wegen der vielen internationalen EU-Beamten bereits mehrere internationale Schulen sowie unzählige in den Landessprachen der Mitgliedstaaten bietet.

Kopenhagen umgarnte die EMA-Angestellten schlicht mit ihrer eigenen Glückseligkeit: Die Mitarbeiter könnten „unter Dänen leben, die berühmt dafür sind, die glücklichsten Menschen der Welt zu sein“. Helsinki versuchte es mit praktischen Versprechen: innerhalb eines Jahres, gerechnet ab dem gestrigen Dienstag, sollen die ersten Beschäftigten und ihre Familien der Arzneimittelagentur bereits umgesiedelt werden. Malta verkaufte sich als Feriendomizil, in dem auch noch Englisch gesprochen wird – so dass sich die Beamten aus London nicht erst umgewöhnen müssten.

So groß die Konkurrenz um die etwa 900 Mitarbeiter umfassende EMA war, so übersichtlich gestaltete sich das Bewerberfeld für die Bankenaufsicht. Frankfurt dürfte als Sitz der Europäischen Zentralbank sowie vieler internationaler Geldhäuser durchaus Gewicht in der Waagschale haben. Entscheiden müssen die Mitgliedstaaten nach einer Analyse der Kommission im November.

Gewählt wird nach einem Punktesystem, ähnlich dem Eurovision Song Contest. Großbritannien darf übrigens nicht mitwählen. Das Verfahren stehe „außerhalb der Brexit-Verhandlungen“, stellte die EU-Kommission zur Sicherheit klar und sei einzig und allein Sache der 27 übrigen Mitgliedstaaten. Darüber sind diese sich einig. Bei der Wahl der künftigen Standorte der EU-Agenturen dürfte es anders sein.

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