Asyldebatte So funktioniert das Asylverfahren in Deutschland

Berlin · Was ist ein Flüchtling? Wer darf in Deutschland bleiben? Und wer muss wieder gehen? Zum EU-Gipfel mit dem Schwerpunkt Flüchtlingspolitik erklärt der GA, wie das Asylverfahren in Deutschland abläuft.

Viele Stimmen, wenig Einigkeit: Der schwelende Asylstreit droht CDU und CSU zu entzweien. Am Sonntag wollen die Führungsgremien der Schwesterparteien nach dem EU-Gipfel in Brüssel Bilanz ziehen, was Bundeskanzlerin Angela Merkel erreicht hat. Der GA erklärt, wie das deutsche Asylverfahren funktioniert.

Ankunft und Registrierung

Wie das Asylverfahren abläuft, erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Nach ihrer Ankunft in Deutschland müssen sich alle Asylsuchenden direkt bei einer staatlichen Stellemelden, zum Beispiel bei der Polizei, einer Ausländerbehörde, einer Aufnahmeeinrichtung oder einem Ankunftszentrum. Die jeweiligen Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Asylsuchenden an sogenannten PIK-Stationen (Personalisierungsinfrastrukturkomponente) registriert werden. Nachdem sie ihre persönlichen Daten, ein Foto und ihre Fingerabdrücke abgegeben haben, erhalten sie einen Ankunftsnachweis. Mit diesem ersten Ausweis haben sie ein Recht auf staatliche Leistungen wie Essen, Medizin und eine Unterkunft. Ihre Daten werden im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, auf das Ausländerbehörden aller Bundesländer zugreifen können.

Erstverteilung

Über das sogenannte Easy-System (Erstverteilung der Asylsuchenden) werden die Asylsuchenden auf die Bundesländer verteilt. Wie viele Menschen wohin kommen, entscheidet der „Königsteiner Schlüssel“. Die Verteilungsquote wird jedes Jahr von der Bund-Länder-Kommission ermittelt. Laut einer Veröffentlichung der zuständigen Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz im Bundesanzeiger lag der Anteil für NRW im Jahr 2017 (aktuellster Stand) bei rund 21 Prozent – Spitzenreiter. Es folgen Bayern mit knapp 16 Prozent und Baden-Württemberg mit 13.

In der Aufnahmeeinrichtung

Während Asylsuchende in der Aufnahmeeinrichtung leben, sorgt diese für ihr Wohlergehen. Sie stellt ihnen alles zur Verfügung, was man im täglichen Leben benötigt, plus ein „Taschengeld“. Was genau das umfasst, regelt das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Antragstellung

In einer Bamf-Außenstelle oder in einem Ankunftszentrum stellen Neuankömmlinge ihren Asylantrag – bis auf wenige Ausnahmen stets persönlich. Ein Dolmetscher erklärt ihnen ihre Rechte und Pflichten. Wenn sie Dokumente wie Pässe, Geburtsurkunden oder Führerscheine dabei haben, müssen sie hier ihre Identität nachweisen. Die Daten werden mit dem Ausländerzentralregister und dem europaweiten System Eurodac abgeglichen. Haben sie ihren Antrag erfolgreich gestellt, erhalten die Asylbewerber eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, die den Ankunftsnachweis ersetzt.

Dublin-Verfahren

Vor Bearbeitung des Asylantrags wird zunächst geprüft, ob Deutschland überhaupt für den jeweiligen Antragsteller zuständig ist. Die sogenannte Dublin-Verordnung soll garantieren, dass jeder Antrag nur von einem Dublin-Staat geprüft wird. Zu diesen Staaten gehören die EU-Mitglieder, Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein. Grundsätzlich ist der Dublin-Staat zuständig, über den ein Asylsuchender eingereist ist. Sollte das Bamf dabei feststellen, dass ein anderer Staat für den Antragesteller zuständig ist, stellt das Amt einen Übernahmeersuchen an den entsprechenden Staat.

Anhörung

Der wichtigste Termin für einen Asylbewerber ist die persönliche Anhörung. Im Gespräch mit den sogenannten Entscheidern des Bamf können sie erklären, warum sie nach Deutschland geflüchtet sind und was sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland erwarten würde. Nach der Anhörung bekommt der Antragsteller ein übersetztes Protokoll des Gesprächs, das er noch ergänzen und verändern kann. Alles, was hier nicht erwähnt wird, kann später (zum Beispiel vor Gericht) nicht mehr vorgebracht werden. Die rechtlichen Grundlagen schafft das Asylgesetz (AsylG).

Prüfung

Zur weiteren Prüfung des Antrags kann das Bamf auf sein Informationszentrum Asyl und Migration und dessen Analysen der weltweiten Flüchtlingsströme zurückgreifen. Bei Zweifeln an der Identität eines Antragstellers kann das Bamf Sprachgutachter hinzuziehen, die die Herkunft eines Asylbewerbers anhand seiner Sprache einschätzen können. Auch technische Untersuchungen der Urkunden auf Fälschungen und medizinische Gutachten sind möglich.

Positive Bescheid

Es gibt vier Arten des Schutzstatus: die Asylberechtigung (nach Artikel 16a des Grundgesetzes), der Flüchtlingsschutz (Paragraf 3 AsylG), subsidiärer Schutz (Paragraf 4, AsylG) und ein Abschiebungsverbot (Paragraf 60 Absatz 5 und 7 Aufenthaltsgesetz).

Bei der Definition von Flüchtlingen folgt das deutsche Gesetz der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Die GFK – offiziell: „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ – wurde am 28. Juli 1951 verabschiedet. Sie legt fest, wer als Flüchtling gilt, welche Rechte und Pflichten sie haben und wie Staaten ihnen helfen sollen. Das Protokoll von 1967 erweiterte den Wirkungsbereich, um Flüchtlinge weltweit und auch nach dem Zweiten Weltkrieg einzuschließen. Mittlerweile sind mehr als 140 Staaten der GFK beigetreten.

Demnach gilt als Flüchtling, wer sein Heimatland aus begründeter Angst vor (nicht-)staatlicher Verfolgung verlassen hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder will. Als Gründe für Verfolgung gelten Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Anders sieht es bei der Asylberechtigung aus: Hier gilt in der Regel nur Verfolgung, die vom Staat ausgeht. Die Gründe sind allerdings dieselben, wie bei Flüchtlingen. Die Menschen müssen im Fall ihrer Rückkehr ins Heimatland einer Menschenrechtsverletzung im Zusammenhang mit diesen Gründe ausgesetzt sein. Außerdem muss es sich um eine Verletzung der Menschenwürde handeln, die zum Ziel hat, die Betroffenen auszugrenzen und die schlimmer ist als die sonst im Land herrschenden Zustände. Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen und Perspektivlosigkeit sind damit ausgeschlossen.

Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch Asylberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, dann wird überprüft, ob sie die Bedingungen noch erfüllen. Sie dürfen arbeiten und ihre Familie nachholen. Wenn sie nach frühestens drei Jahren bestimmte Voraussetzungen erfüllen – wenn sie zum Beispiel ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen und gut Deutsch sprechen –, können sie ihren dauerhaften Aufenthalt beantragen (Niederlassungserlaubnis). Aber: Das Bamf ist gesetzlich verpflichtet, die beiden Statusarten zu widerrufen, sobald den Betroffenen im Heimatland keine Gefahr mehr droht. Auch (geplante) Verbrechen können zur Aberkennung führen.

Subsidiären Schutz erhalten Antragsteller, wenn weder Flüchtlingsstatus noch Asylberechtigung in Frage kommen, aber im Heimatland trotzdem ernsthafter Schaden seitens des Staats oder anderer Akteure droht (Todesstrafe, Folter oder bewaffnete Konflikte). In diesem Fall dürfen die Betroffenen ein Jahr in Deutschland bleiben und arbeiten. Der Status kann mehrfach um jeweils zwei Jahre verlängert werden.

Ein Abschiebungsverbot wird ausgesprochen, wenn die Rückkehr des Betroffenen eine Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention darstellt oder ihn im Heimatland Verletzungen, Tod oder Einsperrung erwartet. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich eine Erkrankung durch die Rückreise dramatisch verschlimmern würde.

In diesem Fall bekommen die Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr, die mehrfach verlängert werden kann. Sie dürfen nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde arbeiten und ihre Familie nachholen. Sowohl Ausländer mit Abschiebungsverbot als auch subsidiär Schutzberechtigte können nach frühestens fünf Jahren ihren dauerhaften Aufenthalt beantragen.

Negative Bescheide

Trifft keine der Schutzformen zu, wird der Antrag als unbegründet abgelehnt. Betroffene müssen innerhalb von 30 Tagen ausreisen. Als „offensichtlich unbegründet“ wird er abgelehnt, wenn das Bamf beispielsweise glaubt, dass der Antragsteller gelogen hat, nur aus wirtschaftlichen Gründen geflohen ist, oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. In diesem Fall müssen Abgelehnte Deutschland innerhalb von einer Woche verlassen. Für die Rückführung sind die Ausländerbehörden zuständig. Ist die Rückführung nicht möglich, können sie eine befristete Duldung erteilen, also die Abschiebung vorübergehend aufschieben. Mögliche Gründe: es handelt sich um unbegleitete Minderjährige, Passersatzpapiere aus dem Heimatland fehlen oder der Zielstaat verweigert die Aufnahme.

Sollten die abgelehnten Bewerber Deutschland nicht freiwillig verlassen, dürfen sie nach ihrer Abreise auf bestimmte Zeit nicht zurückkehren. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot gilt für den gesamten Schengenraum, für maximal fünf Jahre – es sei denn es handelt sich um Straftäter oder Gefährder, für die bis zu zehn Jahre gelten. Den genauen Zeitraum legt das Bamf fest.

Abgelehnte aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten und wiederholt Abgelehnte dürfen auch bei freiwilliger Ausreise für bestimmte Zeit nicht wieder nach Deutschland zurückkehren. Die Verbote werden im bundesweiten polizeilichen Informationssystem Inpol und im Ausländerzentralregister eingetragen. Bei einer Kontrolle an der Grenze kann die Einreise verweigert werden. Halten sich die Betroffenen in Deutschland auf, können sie verhaftet werden.

Rechtsmittel

Wird der Asylantrag abgelehnt, kann der Antragsteller laut Asylgesetz dagegen klagen, zunächst beim Verwaltungsgericht. Findet das Gericht, dass es doch Gründe gibt, den Betroffenen zu schützen, hebt es den Bescheid des Bamf auf und verpflichtet das Bundesamt zur Schutzgewährung. Wird die Klage abgewiesen, muss der Abgelehnte Deutschland nach wie vor verlassen.

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