Reaktionen aus der Region Seehofer-Satz zum Bonn-Vertrag schlägt hohe Wellen

Bonn · Vertreter der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler haben kein Verständnis für den Minister, wenn er beim Bonn-Vertrag bremst. Ein Überblick über die Reaktionen.

Gelassen reagieren die einen, hochgradig irritiert die anderen – die Äußerung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vom Montag, für einen Vertrag des Bundes mit der Stadt Bonn und den Kreisen der Region sehe er derzeit „überhaupt keinen akuten Handlungsbedarf“ hat am Dienstag ganz unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Ein Überblick:

Die Landesregierungen: Für den rheinland-pfälzischen Staatskanzleichef Clemens Hoch (SPD) war es eine große Überraschung, als er im General-Anzeiger las, was Seehofer zum Bonn-Vertrag gesagt hatte. „Dass tatsächlich akuter Handlungsbedarf besteht, haben Union und SPD bei der Bildung der Bundesregierung festgestellt“, sagte Hoch dem GA. Denn die Bundesregierung lebe das Berlin-Bonn-Gesetz nicht. „Sie ist übergriffig, indem sie die Bonner Ministerien schwächt.“

CDU, CSU und SPD hatten in den Koalitionsvertrag nicht nur hineingeschrieben „Wir stehen zum Berlin-Bonn-Gesetz“, sondern auch die Zusicherung formuliert, dass der Bund mit der Region Bonn und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine vertragliche Zusatzvereinbarung (Bonn-Vertrag) schließen wird.

Hoch sieht in Seehofers Äußerung vor allem ein Problem von CDU und CSU. „Die Union muss jetzt klären, wie sie damit umgeht, wenn sich einer ihrer Minister nicht mehr an den Koalitionsvertrag halten will.“ Bisher habe es ein großes, parteiübergreifendes Einvernehmen in der Region gegeben. Hoch betonte, dass er bisher „in engem Austausch“ mit seinem Düsseldorfer Kollegen Nathanael Liminski gestanden habe. Am Rande der nächsten Ministerpräsidentenrunde in der kommenden Woche hätten Malu Dreyer und Armin Laschet eigentlich das weitere Vorgehen in Sachen Bonn-Vertrag besprechen wollen. Jetzt sei erstmal die Union am Zug.

Sehr zurückhaltend äußerte sich hingegen die Düsseldorfer Staatskanzlei. Ein Sprecher der Landesregierung teilte mit, man befinde sich seit Frühjahr 2018 in einem regelmäßigen und überparteilich organisierten Austausch mit Vertretern der Gebietskörperschaften der Region Bonn und der Landesregierung Rheinland-Pfalz. „Alles Weitere wird in den anstehenden Gesprächen der Region unter enger Einbeziehung der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit der Bundesregierung zu erörtern sein.“

Die Kreise: Der Gelassenheit von Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan schlossen sich am Dienstag die Landräte an. Sebastian Schuster (Rhein-Sieg-Kreis) meinte: „Die Aussagen des Bundesinnenministers beunruhigen mich im Moment nicht.“ Er vertraue auf das im Koalitionsvertrag verankerte Engagement für die Bundesstadt Bonn und die derzeitigen Verhandlungen. Jürgen Pföhler (Kreis Ahrweiler) sprach davon, dass man die Äußerungen Seehofers „nicht überbewerten sollte“. Die Region werde dem Bund „zeitnah Vorschläge vorlegen“. Keine Veranlassung, den in der Region eingeschlagenen Weg infrage zu stellen, sieht auch Achim Hallerbach, Landrat des Kreises Neuwied. Die Arbeitsgruppe unter Federführung des Bonner Oberbürgermeisters habe in engem Schulterschluss „viele Maßnahmen“ für die Gespräche in Berlin zusammengetragen. Zu den Inhalten sagte Hallerbach nur so viel: „Es geht auch darum, die vorhandene Infrastruktur zu stärken.“ Für Februar sei eine weitere Runde anberaumt, danach solle das Paket für die Gespräche in Berlin vorgestellt werden.

Die Abgeordneten: So wie Norbert Röttgen (CDU, Rhein-Sieg) wiesen nahezu alle vom GA angefragten Parlamentarier auf den Koalitionsvertrag hin, „den Herr Seehofer mit ausgehandelt hat“. Die Lage sei also klar – und daran änderten auch persönliche Äußerungen von Seehofer nichts. „Wir sind dabei, mit den Partnern in der Region unsere Verhandlungsposition zu definieren.“ Derzeit werde über den Zeitplan gesprochen.

Die SPD-Parteichefin und Ahr-Wahlkreisabgeordnete Andrea Nahles hält die Aussage Seehofers für „unglücklich“. Das Thema Bonn-Vertrag dulde keinen Aufschub. Die Region habe über die Grenzen von Bundesländern, Kommunen und auch Parteien ihre Hausaufgaben gemacht. „Ich denke, da ist die Erwartung an den Bund als Verhandlungspartner nicht zu hoch gegriffen, dass auf der anderen Seite auch alles getan wird, um die geplanten Abläufe verzögerungsfrei einzuhalten.“

Das Bonn/Berlin-Thema mit dem Strukturwandel im rheinischen Revier zu verknüpfen, würde die Verhandlungen „unnötig überfrachten“, sagte der NRW-SPD-Chef und Rhein-Sieg-Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann. Er verwies darauf, dass sich die SPD in der Region „schon lange und geschlossen – und übrigens gegen langjährigen Widerstand der politischen Mitbewerber – für einen verbindlichen Bonn-Vertrag einsetzt“.

Die FDP-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (Bonn), Nicole Westig (Rhein-Sieg) und Sandra Weeser (Neuwied) wiesen gemeinsam darauf hin, dass gegen das Berlin/Bonn-Gesetz „seit Jahren massiv verstoßen wird“. Obwohl die Mehrheit der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn bleiben sollte, seien inzwischen zwei Drittel in Berlin. „Es ist deshalb klar, dass wir bald zu einer neuen Regelung kommen müssen.“

„Irritierend und besorgniserregend“ nannte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katja Dörner (Bonn) die Aussagen Seehofers, „umso mehr, da er selbst den Koalitionsvertrag unterschrieben hat“. Für Stadt und Region sei es jetzt umso wichtiger, sich im Blick auf Gespräche mit der Bundesregierung „geschlossen stark aufzustellen“.

Dörners Parteifreund, der NRW-Landtagsabgeordnete Horst Becker (Rhein-Sieg), nahm die Äußerungen Seehofers gleich zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Von ihr will er wissen, was sie unternimmt, um für einen wirkungsvollen Bonn-Vertrag zu sorgen und so eine weitere Rutschbahn von ministeriellen Arbeitsplätzen zu vermeiden oder zumindest weitere Hilfen zu erreichen. „Jetzt müssen alle Alarmglocken schrillen“, sagte Becker dem GA. Der Bonner OB verlasse sich zu sehr auf die Landesregierung, doch die sei nicht klar genug aufgestellt. „Der Ministerpräsident muss jetzt deutlich machen, dass der Bonn-Vertrag nicht mit dem Strukturausgleich für das Rheinische Revier vermischt werden darf“, sagte Becker.

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