Landtagswahl in Schleswig-Holstein Schulz rückt von links in die Mitte

Berlin · Der SPD-Vorsitzende drängt mit seiner Partei nach dem Kieler Wahldebakel in die Mitte und warnt im Haus der Industrie- und Handelskammer in Berlin vor „unerfüllbaren Sozialversprechen".

 Die Wahlschlappe in Schleswig-Holstein ist für ihn abgehakt: Von der Niederlage Torsten Albigs (links) will sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nicht beirren lassen.

Die Wahlschlappe in Schleswig-Holstein ist für ihn abgehakt: Von der Niederlage Torsten Albigs (links) will sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nicht beirren lassen.

Foto: dpa

Verhaltener Applaus ist zu hören, als Martin Schulz am Morgen nach der verlorenen Schleswig-Holstein-Wahl vor die Mitarbeiter im Willy-Brandt-Haus tritt. „Es gibt Momente im Leben, wo der Beifall wie warmer Regen ist“, sagt der SPD-Vorsitzende.

Die Partei sei jetzt „in einer schwierigen Lage“, aber es sei eine Tugend der SPD, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten. Für den Wahlverlierer, Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig, gibt es noch einen Strauß rote Rosen von Schulz, das war‘s. Er lässt keine Fragen der Journalisten zu.

Zwei Stunden später kommt Schulz ins Haus der Industrie- und Handelskammer Berlin, wo Hunderte Unternehmer schon auf ihn warten. Der SPD-Chef hat eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede angekündigt. Anders als in der SPD-Zentrale gibt es hier keinen Applaus zur Begrüßung, keinen warmen Regen für den Mann, der als Hoffnungsträger ins Jahr gestartet war und nach zwei SPD-Niederlagen bei den Wahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein jetzt angeschlagen ist.

Auch hier erlaubt sich Schulz keinen weiteren Kommentar über die Kieler Wahlschlappe, er hält sich strikt ans Drehbuch. Mit dem Verlierer Albig, so das Signal, hat der Kanzlerkandidat Schulz nichts zu tun. Am Montag wird denn auch eilig eine erste SPD-interne Wahlanalyse gestreut, in der Torsten Albig die Hauptschuld für das Kieler Debakel gegeben wird.

Schulz liefert in der IHK eine grundsolide Rede ab, mit der er die SPD deutlich stärker als bisher in Richtung Mitte rückt. Zur Linkspartei geht er auf Distanz. Rot-Rot-Grün, so der Eindruck nach dieser Rede, ist für ihn eigentlich ausgeschlossen, nur dass er das nicht explizit sagt, sondern noch ein kleines Hintertürchen für diese Option offen lässt. Viele im Saal fragen sich, warum nur hat Schulz diese wichtige Grundsatzrede nicht schon vor zwei, drei Wochen gehalten, statt erst am Tag nach der Schleswig-Holstein-Wahl?

Kernaussagen wie zur Schröder-Zeit

Schulz bemüht sie alle für seine Sache, die großen Männer der sozialen Marktwirtschaft, von Ludwig Erhard (CDU) über Karl Schiller (SPD) und Helmut Kohl (CDU) bis hin zu Gerhard Schröder (SPD). Letzterer sei ein „mutiger Mann“, weil er mit seiner Reformagenda 2010 dem Grundsatz gefolgt sei: Erst das Land, dann die Partei. Schulz beschwört die erfolgreiche deutsche Wirtschaft, das Sozialpartnermodell, die Mitbestimmung, um die uns so viele in der Welt beneideten. Er selbst habe erlebt, wie es sei, Unternehmer zu sein, denn er habe einmal einen Buchladen gegründet.

Dann folgen einige Kernaussagen, die an Schröders Mitte-Kurs erinnern. „Unerfüllbare Sozialversprechen“ und „unerfüllbare Steuersenkungsversprechen“ werde es mit ihm nicht geben, so Schulz. Man werde Steuern für untere und mittlere Einkommen senken müssen, aber nicht „mit der Gießkanne“ Steuergeschenke verteilen. Er sei gegen „staatliche Allmachtsfantasien“, für Freihandel und für die Stärkung Europas. Die SPD, so Schulz, sei stolz darauf, die „letzte Industriepartei“ Deutschlands zu sein.

Er sei neben einer Steinkohlegrube geboren, sagt Schulz, er wisse also, dass der Strukturwandel ein ganzes Leben bestimmen könne. Doch dieser Wandel könne auch eine Chance sein, nicht nur Risiko. Von der in Deutschland verbreiteten „angstfixierten Debatte“ will Schulz weg, ein wenig abgeschaut hat er sich das Zuversicht-Predigen vom französischen Wahlsieger Emmanuel Macron.

Für sein Publikum hat er sich ein besonderes Schlusswort aufbewahrt. „Ich sehe in ihren Gesichtern, dass es eine wichtige Frage gibt, die sie umtreibt. Vielleicht denken manche von ihnen: Toll, ja, ist ja vieles richtig und gut, was der Junge da erzählt. Aber kann es am Ende unter diesem Schulz nicht eine Koalition geben, die Deutschland und meinem Betrieb schaden würde?“ Da er nicht von einer absoluten Mehrheit für die SPD bei der Bundestagswahl ausgehe, sei seine klare Ansage: „Nein. Definitiv nicht. Unter meiner Führung wird es nur eine Koalition geben, die pro-europäisch ist und die ökonomische Vernunft walten lässt.“

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