Radikaler Islam in Deutschland Saudi-Arabien finanziert deutsche Salafistenszene

Berlin · Religiöse Gruppen aus arabischen Golfstaaten unterstützen mit Geld für Moscheen oder die Entsendung von Predigern deutsche Salafisten. Das berichtet der Rechercheverbund von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“.

Er beruft sich dabei auf eine Analyse der deutschen Geheimdienste. Eine Sprecherin des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) wollte auf Anfrage zu dem Bericht keine Stellung nehmen: „Wir äußern uns nicht zu indiskretionierten Papieren“. Es sei gut, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der Badischen Zeitung, dass endlich die Gefahren erkannt würden, die von der saudi-arabischen Staatsideologie, dem so genannten Wahabismus, ausgingen. Nun müsse sich die wehrhafte Demokratie bewähren.

Dass religiöse Gruppen aus Saudi-Arabien, Katar oder Kuweit weltweit die Ausbreitung einer fundamentalistischen und intoleranten Islam-Auffassung unterstützen, ist schon seit langem bekannt. Offiziell betont die Regierung Saudi-Arabiens, dass sie damit nichts zu tun habe. „Das nehme ich denen einfach nicht ab“, sagt Özdemir: „Dafür sind diese Länder viel zu hierarchisch und zu straff organisiert.“ Der Wahabismus kenne einen imperialen Anspruch, der keinerlei andere Glaubensauslegungen oder Glaubenstraditionen dulde. Er richte sich vor allem gegen Muslime, die aus Sicht der Wahabiten als ungläubig gelten. Im Lauf von ein, zwei Generationen sei es dem Wahabismus so beispielsweise gelungen, die Tradition des Sufismus im Islam, die in vielen islamischen Ländern Nationalkultur gewesen sei, zurückzudrängen. Wer heute beispielsweise in Pakistan traditionelle Sufi-Musik höre, laufe Gefahr, an Leib und Leben bedroht zu werden.

Das BfV und der Bundesnachrichtendienst sehen laut Recherche-Netzwerk zwar keine Hinweise darauf, dass die Organisationen vom Golf „gewaltbereite salafistische Strukturen und Netzwerke“ in Deutschland unterstützen. Sehr wohl aber verfolgten sie eine „langfristig angelegte Strategie der Einflussnahme.“ Der salafistischen Szene in Deutschland werden derzeit von den Verfassungsschutzbehörden etwa 10.000 Personen zugerechnet. Die beiden Geheimdienste stellen laut Recherche-Netzwerk in ihrer Analyse fest, dass die religiösen Gruppen eng mit staatlichen Stellen in ihren Herkunftsländern verbunden sind. Für Saudi-Arabien sei die „weltweite Missionierung unverändert Staatsräson und Teil der Außenpolitik.“

Özdemir zeigt sich erleichtert, dass nun offen über die Rolle des wahabitischen Islam in der Welt gesprochen wird. Er selbst habe sich darüber in den letzten Jahren den Mund fusselig geredet: „Wenn das jetzt Allgemeingut wird, begrüße ich das natürlich sehr.“ Das sei der erste Schritt, um die damit einher gehenden Gefahren anzugehen. Im Gespräch mit muslimischen Verbänden müsse die deutsche Politik unmissverständlich klar machen, dass die Muslime ihre Antennen nach Berlin oder Brüssel, nicht aber nach Riad oder Ankara ausrichten müssten. Was sich abseits der Verbände in Moscheen oder im Internet abspiele, sei viel schwieriger zu erfassen und zu kontrollieren. Der Grünen-Vorsitzende regt an, über die Lösung Österreichs nachzudenken: „Dort sind die Finanzströme komplett reglementiert.“ Das heiße aber auch, dass es Deutschland eine öffentliche Finanzierung der Arbeit von Imamen geben müsse: „Die werden heute von der türkischen Religionsbehörde Ditib finanziert. Das ist für uns bequem. Aber wenn wir wollen, dass Imame nicht Direktiven aus Ankara entgegen nehmen, braucht es eine andere Finanzierung der Imame, die aber selbstverständlich auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen müssen.“

Unterdessen hat die Grünen-Fraktion im Bundestag beantragt, dass sich der Innenausschuss mit Hinweisen befasst, wonach von der Ditib bezahlte Imame in Deutschland Spionage für die Türkei betreiben. Dabei soll es vor allem um Personen gehen, die der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahe stehen sollen. Ankara macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch vom Juli verantwortlich. Die Grünen verlangen, dass der Verfassungsschutz an diesem Mittwoch im Innenausschuss einen Bericht über mögliche Spionage von Ditib-Imamen vorlegt.

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