Innenminister und CSU-Chef Rund zwei Drittel der Deutschen für Seehofer-Rücktritt

München · Fast täglich wächst der Druck auf Horst Seehofer. Weite Teile seiner Partei machen ihn für die Wahlpleite verantwortlich. Zwei Drittel der Deutschen würden seinen Rücktritt von beiden Ämtern begrüßen.

 Horst Seehofer, CSU-Vorsitzender und Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, spricht in der Bundespressekonferenz zu den Medienvertretern.

Horst Seehofer, CSU-Vorsitzender und Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, spricht in der Bundespressekonferenz zu den Medienvertretern.

Foto: Kay Nietfeld

Die Mehrheit der Deutschen hat das Vertrauen in Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verloren. Nach der Bayern-Wahl sind rund zwei Drittel der Bundesbürger (64 Prozent) der Auffassung, er solle nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei Konsequenzen ziehen.

Seehofer muss als CSU-Chef als auch als Innenminister zurücktreten. Das geht aus dem jüngsten RTL/n-tv-Trendbarometer von Forsa hervor, das am Montag veröffentlicht wurde. Auch in Bayern sieht es für Seehofer nicht besser aus: 62 Prozent der Bayern und sogar 67 Prozent der CSU-Anhänger halten Seehofers Rücktritt für nötig.

35 Prozent der Befragten sind der Auffassung, die Sozialdemokraten sollten die Große Koalition verlassen und sich in der Opposition erneuern. Wegen des Aufschwungs der Grünen wäre eine schwarz-grüne Koalition möglich, wenn in dieser Woche der Bundestag gewählt würde. Die Grünen steigerten sich in der Umfrage im Vergleich zur Vorwoche um 2 Prozentpunkte auf 21 Prozent. 52 Prozent der Deutschen sind allerdings überzeugt, dass der Höhenflug der Partei bald wieder vorbei sein wird.

CDU/CSU liegen in der Umfrage bei 27 Prozent, die AfD bei 15 Prozent, die SPD bei 14 Prozent sowie die FDP und Linke bei je 9 Prozent.

Seehofer hatte am Wochenende erstmals nach der CSU-Landtagswahlpleite einen möglichen Rücktritt als Parteichef angedeutet - wenn ihn seine Partei für den CSU-Absturz allein verantwortlich machen sollte.

"Noch mal mache ich einen Watschnbaum nicht. Man kann mich kritisieren, aber das zu reduzieren auf den Horst Seehofer, und der ist für alles verantwortlich, das werde ich persönlich nicht mitmachen", sagte Seehofer am Sonntag im Bayerischen Fernsehen. "Eher stelle ich mein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung - ich glaube, klarer kann man sich nicht ausdrücken."

Seehofer steht seit dem CSU-Absturz bei der Landtagswahl auf nur noch 37,2 Prozent und dem Verlust der absoluten Mehrheit parteiintern massiv unter Druck. Als erster der großen CSU-Bezirksverbände fordert die CSU Schwaben inzwischen einen Sonderparteitag, bei dem explizit über die "Aufstellung" für die kommenden Jahre entschieden werden müsse. Das hat der schwäbische Bezirksvorstand am Freitagabend beschlossen. Ähnlich war die Stimmung nach übereinstimmenden Teilnehmerangaben in einer Vorstandssitzung der Oberfranken-CSU. Und auch die CSU Oberbayern hat bereits einen Parteitag gefordert. Zudem fordern inzwischen schon drei Kreisverbände offen Seehofers Ablösung.

Seehofer wies eine Alleinverantwortung energisch zurück. "Das ist halt ein einfaches Geschäft: Wenn man auf einen anderen zeigen kann, muss man sich nicht mit sich selbst beschäftigen." Das sei schon nach der Bundestagswahl 2017 so gewesen: "Obwohl ich gar nicht zur Wahl stand, in keiner Wahlsendung war, auf keinem Wahlplakat, war ich schon nach der Bundestagswahl der Hauptverursacher."

Jetzt erlebe man eine Neuauflage, obwohl er weder den Wahlkampf gemanagt noch strategisch bestimmt habe, sagte Seehofer - ohne Ministerpräsident Markus Söder namentlich zu nennen. "Ich stehe zu meiner Verantwortung als Parteivorsitzender - aber ich übernehme sie nicht alleine." Ihn ärgere die "oberflächliche Wahlanalyse" vieler. Seehofer wies auch den Vorwurf zurück, den Asylstreit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Alleingang auf die Spitze getrieben zu haben.

Die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm kritisierte dagegen, das Thema Asyl und Flüchtlinge sei überhöht worden. Damit habe die CSU dazu beigetragen, dass die Ängste der Menschen nicht abgebaut worden seien, sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. Jetzt müsse sich die CSU wieder stärker um die politische Mitte kümmern. Stamm schlug als Nachfolger Seehofers schon den Europapolitiker Manfred Weber vor.

Hingegen warnte der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber seine Partei vor schnellen Rücktrittsforderungen an Seehofer. Dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte der CSU-Ehrenvorsitzende, es gehe zunächst einmal darum, eine stabile Regierung zu bilden. Man brauche eine geordnete Debatte in der Partei.

Zuletzt hatte auch Theo Waigel, früherer Bundesfinanzminister und ebenfalls CSU-Ehrenvorsitzender, personelle Konsequenzen verlangt. "Verantwortung und Konsequenzen sind erforderlich: inhaltlich, strategisch und personell", schrieb er in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Münchner Merkur" (Freitag).

Seehofer hatte sich schon kurz nach der Landtagswahl offen für einen Parteitag gezeigt. Das will er aber mit den CSU-Bezirksvorsitzenden klären. Eigentlich läuft seine Amtszeit als CSU-Chef bis Ende 2019.

Unter Söders Führung verhandelt die CSU gegenwärtig mit den Freien Wählern über eine Koalitionsregierung. Dies müsse Priorität haben, hatten Seehofer, Söder und andere CSU-Spitzenpolitiker zuletzt immer wieder betont. Denn das Zeitfenster dafür ist eng: Die Frist für die Ministerpräsidentenwahl im Landtag läuft am 12. November aus.

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