Griechenland-Rettungspolitik Ruhe vor dem Sturm

BERLIN · Ein Grexit auf Zeit - für die Dauer von fünf Jahren? Die Grünen im Bundestag fühlten sich überrumpelt. Der Plan von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), das Euro-Sorgenkind Griechenland für 60 Monate aus der gemeinsamen Währungszone auszuschließen, löste bei den Grünen-Fraktionschefs, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, maximale Verärgerung aus.

An Schäubles Idee, mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) abgestimmt, konnten sie nichts Gutes finden: "Schäubles Vorgehen ist nicht nur inakzeptabel, sondern verfassungswidrig", erklärten Göring-Eckardt und Hofreiter.

Schäuble hätte einen solchen Vorschlag dem Bundestag zuleiten müssen, damit sich das Hohe Haus vor dem Sondergipfel in Brüssel dazu hätte eine Meinung bilden können. Die Grünen drohen nun mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht, "weil Informationsrechte des Bundestags aus Artikel 23 Grundgesetz missachtet wurden". Außerdem berühre ein Grexit auf Zeit auch die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages.

Doch neben dem Protest der Grünen wegen fehlender Information rumort es auch in der SPD. Ein Grexit auf Zeit sei kein ernsthafter Vorschlag, sondern bedrohe den Rest der Eurozone, empörte sich SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. Und SPD-Haushälter Johannes Kahrs kommentierte die Vorschläge aus dem Hause Schäuble knapp: "Wir halten sie nicht für machbar." Dabei hatte noch zwei Tage vor dem EU-Sondergipfel aller 28 Mitgliedsstaaten, der wenige Stunden vor dem Auftakt wieder auf einen Eurozonen-Gipfel schrumpfte, ein Sprecher Schäubles launig wissen lassen, die Griechen seien doch "die Erfinder der Dialektik". Damit müssten sie bei der Erforschung der Wahrheit durch Überwindung von Widersprüchen eine besonders hohe Kompetenz haben. Doch tatsächlich ist der griechische Finanzbedarf für ein drittes Rettungspaket noch viel höher als befürchtet. Von mehr als weiteren 70 Milliarden Euro ist die Rede, wovon Deutschland rund 20 Milliarden Euro stemmen müsste.

Dabei wird SPD-Chef Gabriel Mühe haben, seine Sozialdemokraten auf Kurs zu halten, wenn dieser Weg den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone auf Zeit bedeute. Die SPD will ihre sozialistischen Freunde in Frankreich nicht alleine lassen, die wiederum eine deutliche Tendenz zeigen, den Griechen ein weiteres Mal mit einem Milliardenprogramm rettend unter die Arme zu greifen. Gabriel sagt zwar, jeder denkbare Vorschlag müsse unvoreingenommen geprüft werden. Allerdings sei ein Grexit auf Zeit nur möglich, wenn ihn auch die Regierung in Athen auch akzeptiere. Ziel der SPD sei unverändert, "Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden können".

In der Unionsfraktion wiederum gibt es klare Zeichen eines Teils der Abgeordneten, die den Weg eines dritten Hilfspaketes nicht mehr mitgehen wollen. So spitzt sich das griechische Schuldendrama innenpolitisch auch in Deutschland weiter zu. Sollte es in den nächsten Tagen oder Wochen zu einer Sondersitzung des Bundestages kommen, werden die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, sich in der Kunst versuchen müssen, sowohl ihre Fraktionen als auch die Koalition in der Balance zu halten.

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