Kommentar zum Streit in der Union Risiko CSU

Meinung | Berlin · Ist es endgültig aus mit der Geschwisterliebe? Oder verpasst die CSU ihrer Schwesterpartei CDU nur mal wieder ein paar Seitenhiebe?

 Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Frau Karin beim Patronatstag der bayerischen Gebirgsschützen in Garmisch-Partenkirchen.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Frau Karin beim Patronatstag der bayerischen Gebirgsschützen in Garmisch-Partenkirchen.

Foto: dpa

Der Zwist der Unionsparteien wird im Jahr vor der Bundestagswahl zum Normalzustand. Die Querschüsse gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Süden der Republik wiederholen sich quasi im Wochenrhythmus. So auch an diesem Wochenende: Da stellt Verkehrsminister Alexander Dobrindt, sicherlich keiner der Stars im Kabinett Merkel, infrage, dass die beiden Unionsparteien mit einem gemeinsamen Programm in den Wahlkampf gehen.

Und CSU-Chef Horst Seehofer selbst deutet die Möglichkeit einer eigenen Spitzenkandidatur an. Die „Schicksalsgemeinschaft“ (Dobrindt) aus CDU und CSU vor dem Zerbrechen? Ein Schwesternstreit der bürgerlichen Parteien auf der offenen Bühne eines Bundestagswahlkampfes? Seehofer, der gegen Merkel um Stimmen wirbt? Wer im bürgerlichen Lager sollte dabei gewinnen?

Das ist auch jedem in der CSU klar. In beiden Unionsparteien ist der Trieb zum Machterhalt Teil des Erbguts. Deshalb klingen die Drohungen aus München hohl. Man braucht kein Prophet zu sein für die Voraussage, dass sich die Schwesterparteien rechtzeitig zusammenraufen werden. Dies auch deshalb, weil der Grund des Zerwürfnisses zunehmend entfällt. Der Türkei-Deal der Kanzlerin und das Schließen der Balkanroute machen es unwahrscheinlich, dass sich die Flüchtlingssituation in diesem Sommer so dramatisch zuspitzen wird wie im Vorjahr. Interessanterweise hat dies jene Partei, die von der Krise am meisten profitierte und die CSU vor sich hertreibt, längst erkannt. Die AfD ist einen Schritt weiter und nimmt nun den Islam ins Visier.

Fragt sich, was die Seehofer-Truppe antreibt. Vielleicht der Glaube, mit Drohszenarien die Unionsschwester zu Kurskorrekturen zwingen zu können? Ein Irrglaube. Denn die ausreichend selbstbewusste Kanzlerinnenpartei wird auf Druck von außen eher mit enger geschlossenen Reihen reagieren. Auch die bei den unionsinternen Streitereien stets mitschwingende Drohung einer CSU-Expansion in den Rest der Republik zieht nicht. Dieses wieder und wieder durchgespielte Experiment würde auf eine Selbstkannibalisierung hinauslaufen, auf eine Fragmentierung der bürgerlichen Parteien, die auf mittlere Sicht die bayerische Machtbasis der CSU selbst bedrohen würde.

Die Querschüsse aus München zeugen deshalb vor allem von einer tiefen Verunsicherung der CSU, die sich in die Ecke gedrängt fühlt. Von einer AfD, die ihr am rechten Rand das Wasser abgräbt; von einer Kanzlerin, die sich wie die sprichwörtliche Eiche verhält, an der sich das Wildschwein reibt; von einer CDU, die sich, siehe Baden-Württemberg, neue Bündnisoptionen erschließt. Dazu kommt noch die Ungewissheit über das eigene Führungspersonal: Wie lange bleibt Horst Seehofer an der Spitze, wer könnte ihm folgen? Souverän ist anders. Für die CDU ist eine CSU in dieser Verfassung ein unkalkulierbares Risiko.

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