Kommentar zum UN-Weltwasserbericht Ressource Abwasser

Meinung | Bonn · Wasser stillt in der heutigen Zeit nicht nur unseren Durst, sondern bringt uns über Umwege auch Nahrungsmittel ein. Doch die UN warnen vor einer Süßwasser-Notlage. Schwer vorzustellen, wenn der eigene Wasserhahn niemals leer zu sein scheint.

Ein in der Wüste verirrter Mensch verdurstet schneller, als er verhungert. Doch der Durst einer 7,5-Milliarden-Menschheit reicht weit über das Trinken hinaus, auch über das, was er für Körperpflege, Wäschewaschen oder fürs Kochen benötigt. Pflanzen benötigen Wasser, damit daraus „unser täglich Brot“ entsteht. Obwohl der Salzwasser-Planet Erde nur einen Fingerhut voll Süßwasser für das Leben spendiert, reicht es, um den unmittelbaren Bedarf von zehn und mehr Milliarden Menschen zu decken. Doch „unser täglich Brot“ besteht inzwischen aus: Erdbeeren zu jeder Jahreszeit, Fleisch und Wurst zu jeder Tageszeit. Und alles braucht Wasser. Der Mensch schickt die kostbare Ressource erst zu Futterpflanzen und die weiter in die Mastställe, um schließlich Fleisch zu „ernten“.

Der Weltwasserbericht der Vereinten Nationen, gestern erstmals in Bonn – Stadt in einem regenreichen Erdwinkel – vorgestellt, zeichnet eine ernste Lage, die sich absehbar verschärfen wird. Bereits heute verschlingt die Landwirtschaft weltweit 70 Prozent des weltweiten Süßwasserverbrauchs. Hinzu kommt der Durst der industriellen Produktion. Ob Autoproduktion oder Computerchip: Ohne Süßwasser läuft nichts.

Auch die Landwirtschaft ist längst industriell und dopt zunehmend Pflanzen und Kreatur, weshalb der oberflächennahe Wasserkreislauf kein lupenreines H2O mehr enthält. Bedrohen in armen Regionen – infolge fehlender Sanitär-/Abwassereinrichtungen – Keime aus Exkrementen die Wasserqualität, sind es in reichen Rückstände aus Antibiotika, Impfstoffen, Wachstumsförderern und Hormonen.

Es fällt schwer, sich in Gunstlagen, wo der Wasserhahn keine Dürre kennt, eine Süßwasser-Notlage vorzustellen. Jedoch – alles hängt mit allem zusammen – gibt es einen neuen Faktor: Der Klimawandel, eine Fernwirkung vor allem von Industrie- auf Entwicklungsländer, verteilt gerade den Regen um. Trockengebiete werden (noch) trockener, Feuchtgebiete (noch) feuchter. Fernwirkung retour: Klimaflüchtlinge und Migrationsdruck.

Es gibt also viele gute Gründe, dass der regenreiche Teil der Welt sich über drohende Wasserarmut in trockenen Gebieten Gedanken macht. Der UN-Wasserreport empfiehlt eine neue Ressource: Abwässer. Sie mit einem Technologietransfer dort zu filtern, wo sie ungeklärt in die Umwelt sickern, und so für Nahrungsproduktion und mehr Gesundheit verfügbar zu machen, ist eine Option. Eine andere hatte in den 1960er Jahren bereits US-Präsident John F. Kennedy reklamiert: den Salzwasser-Planeten anzapfen. Wem es gelänge, eine preisgünstige Technologie zur Meerwasserentsalzung zu entwickeln, dem sei der Nobelpreis sicher. Das Wassernot-Szenario ist also nicht neu. Der Klimawandel verschärft es nur: Mit Regen, der hier zu viel fällt und dort gar nicht, werden immer weniger Pflanzen zu Brot.

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