Klimaschutz-Schelte Rechnungshof rügt Altmaiers Energiewende-Management

Berlin · Der Umstieg auf erneuerbare Energien in Deutschland kommt nicht richtig voran, der Ausbau der Stromnetze stockt. Gerade die wären für einen baldigen Kohleausstieg aber zentral. Das federführende Wirtschaftsministerium bekommt nun eine volle Breitseite an Kritik.

 Blick auf den Tagebau Nochten und das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe.

Blick auf den Tagebau Nochten und das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe.

Foto: Monika Skolimowska

Der Bundesrechnungshof sieht bei der Umsetzung der milliardenteuren Energiewende erhebliche Defizite und macht dem zuständigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier schwere Vorwürfe.

Der Umstieg auf erneuerbare Energien werde schlecht gesteuert, entscheidende Verbesserungen seien "unumgänglich", heißt es in einem Prüfbericht der Finanzkontrolleure.

Die Energiewende ist auch zentral für den Ausstieg aus dem Kohlestrom, der im Kampf gegen die Erderwärmung wichtig ist. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft (IEE) legte eine Studie vor, nach der ein Ausstieg bereits 2030 gelingen könnte - wenn die Energiewende vorankommt.

Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, sagte: "Die Bundesregierung droht mit ihrem Generationenprojekt der Energiewende zu scheitern." Der enorme Aufwand und die starke Belastung der Bürger und Wirtschaft stünden in krassem Missverhältnis zum bisher dürftigen Ergebnis. "Wenn die Energiewende gelingen soll, muss die Bundesregierung umsteuern."

Bei der Energiewende sollen Energiequellen wie Kohle, Gas und Atomkraft durch umweltfreundliche Energieträger wie Sonne und Wind ersetzt werden. Deutschland gilt dabei weltweit als Vorreiter. Das nationale Klimaziel 2020 zur Senkung von Treibhausgasemissionen wird aber aller Voraussicht nach verfehlt. Derzeit stockt vor allem der notwendige Ausbau der Stromnetze. Der seit März amtierende Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) hatte zuletzt angekündigt, der Netzausbau solle beschleunigt werden.

Die Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace kam zu dem Ergebnis, dass das deutsche Klimaziel doch noch erreicht werden könnte, wenn 2020 das älteste Drittel der besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke stillgelegt würde. Außerdem müssten weitere ältere Braunkohlemeiler dann gedrosselt werden.

Der Ausstieg aus dem Kohlestrom, der besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) verursacht, ist langfristig unumgänglich, um die Erwärmung der Erde auf 1,5 oder 2 Grad zu beschränken. Dazu hat sich Deutschland auch im Klimaschutzabkommen von Paris verpflichtet. Der Zeitpunkt des Ausstiegs ist allerdings hoch umstritten. Während Umweltschützer und Klimaforscher einen Ausstieg 2030 fordern, sprechen manche Wirtschaftsvertreter von 2045.

Der Fraunhofer-Studie zufolge könnte der Ausstieg schon 2030 gelingen - wenn die jüngeren Steinkohlemeiler als Reserve bereit blieben. "Deutschland kann sich ab 2030 sicher und kohlefrei mit Energie versorgen", erklärte der IEE-Wissenschaftler Norman Gerhardt. Die Stromversorgung soll dabei durch den Bau moderner Gaskraftwerke, den Ausbau von Wind- und Solarkraft sowie einen Anstieg des CO2-Preises sichergestellt werden. Allerdings müsste dazu unter anderem der Netzausbau vorankommen.

Der Rechnungshof schreibt, ohne Verbesserungen bei der Koordination und Steuerung könne in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, Deutschland sei nicht imstande, die gesamtgesellschaftlich und langfristig angelegte Energiewende erfolgreich zu gestalten. In den letzten fünf Jahren seien dafür mindestens 160 Milliarden Euro aufgewendet worden. Trotz eines erheblichen Einsatzes von Personal und Finanzmitteln erreiche Deutschland die Ziele bisher überwiegend nicht.

Das Wirtschaftsministerium habe seit nahezu fünf Jahren die Federführung inne, heißt es im Bericht. So seien allein im Ministerium 34 Referate in vier Abteilungen damit befasst, die Energiewende umzusetzen - dazu fünf weitere Bundesministerien und alle Länder. Dennoch habe das Ministerium nicht festgelegt, was die Koordination der Energiewende umfasse. "Eine gesamtverantwortliche Organisationsform gibt es bis heute nicht." Außerdem gebe es zu wenig Klarheit darüber, was die Energiewende koste, so der Rechnungshof.

Das Ministerium weist die Kritik laut dem Bericht überwiegend zurück. Es sehe keinen Handlungsbedarf und halte die Energiewende für effektiv und effizient koordiniert.

Der FDP-Energiepolitiker Martin Neumann sprach von einer "Bankrotterklärung" für die Energiewende der Bundesregierung. "Wirtschaftsminister Altmaier bekommt es nun schriftlich: Bürgern und Unternehmen werden Milliarden aus der Tasche gezogen, die Klimaziele werden krachend verfehlt." Der Linke-Politiker Klaus Ernst sagte, das Chaos im Wirtschaftsministerium gefährde die Energiewende.

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