Psychiater bekräftigt Kritik an Zschäpe-Gutachten

München · Stundenlang lauscht der vom Gericht bestellte Gutachter im NSU-Prozess, wie ein von der Verteidigung aufgebotener Psychiater sein Gutachten über Beate Zschäpe auseinandernimmt. Danach kündigt er Gegenwehr an.

 Die Angeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe.

Die Angeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe.

Foto: Peter Kneffel/Archiv

Der Psychiater Pedro Faustmann hat im NSU-Prozess die Kritik an dem Gerichtsgutachten über die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe bekräftigt. Der vom Oberlandesgericht München bestellte Sachverständige Henning Saß habe bei seiner Arbeit mehrfach sein Fachgebiet als Psychiater überschritten, sagte Faustmann am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München. Zudem habe Saß methodische Fehler begangen.

Besonders scharf kritisierte Faustmann die Bewertung von Saß, dass bei der Angeklagten auch für die Zukunft mit kriminellem Verhalten zu rechnen sei. Saß habe dabei auf nicht nachvollziehbare Weise einzelne Detail-Kriterien eines etablierten Prognoseverfahrens herausgepickt, das aber nur im Zusammenhang anwendbar sei. Saß' Vorgehen sei wissenschaftlich "nicht zulässig".

Faustmann hatte sein Gutachten auf Wunsch von Zschäpes Pflichtverteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm erstellt. Ein Honorar habe er dafür nicht berechnet, sagte er. Sein Motiv sei Erkenntnisgewinn gewesen. Faustmann, der als Professor in Bochum arbeitet, sagte: "Das ist der Auftrag der Wissenschaft".

Lautstarken Streit gab es im Gerichtssaal, als Rechtsanwalt Heer die seiner Ansicht nach zu scharfen Nachfragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl kritisierte. Heer warf dem Richter vor, Faustmanns Antworten hätten ihm "schlicht nicht gepasst".

Der kritisierte Gutachter Saß sagte, in Faustmanns Vortrag gebe es "viele Stellen, wo man nachfragen oder einhaken" müsse. Er kündigte eine Stellungnahme an, zu der er am Dienstag jedoch noch nicht aufgerufen wurde. Der Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer hielt Faustmann vor, er vertrete an vielen Stellen Minderheitenmeinungen, die von den meisten seiner Kollegen nicht geteilt würden.

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den beiden NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unentdeckt im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen Mundlos und Böhnhardt zehn Menschen ermordet haben. Neun Opfer waren türkisch- und griechischstämmige Selbstständige, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft aus fremdenfeindlichen Motiven umgebracht wurden. Das zehnte Opfer war die Heilbronner Polizistin Michéle Kiesewetter. Zschäpe ist als drittes Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in allen Fällen wegen Mittäterschaft angeklagt.

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