Kommentar zum Urteil gegen zwei Raser in Berlin Provokation

Meinung | Bonn · Den Richtern wird klar sein, dass sie sich juristisch auf dünnem Eis bewegen. Gleichwohl haben sie sich dazu entschlossen, das Rennen als das zu ahnden, was es war: mörderisch. Das ist gut so. Ein Kommentar von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

 Fassungslos: Die Angeklagten Hamdi H. (2.v.r) und Marvin N. (5.v.r, halb verdeckt) standen am Montag nach einem illegalen Autorennen mit Todesfolge vor Gericht.

Fassungslos: Die Angeklagten Hamdi H. (2.v.r) und Marvin N. (5.v.r, halb verdeckt) standen am Montag nach einem illegalen Autorennen mit Todesfolge vor Gericht.

Foto: dpa

Das Urteil gegen zwei Männer, die mit rund 160 Kilometern pro Stunde in der Berliner Innenstadt ein Rennen fuhren und dabei einen anderen Mann ums Leben brachten, ist eine notwendige Provokation. Den Richtern wird klar sein, dass sie sich juristisch auf dünnem Eis bewegen. Gleichwohl haben sie sich dazu entschlossen, das Rennen als das zu ahnden, was es war: mörderisch. Das ist gut so.

Die Provokation richtet sich gegen die Politik, die es nicht schafft, angemessene Gesetze für das lebensgefährliche Treiben der Raserszene zu finden. Wer an einem illegalen Rennen teilnimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Die schlägt für die Angeklagten im günstigsten Fall mit 400 Euro Bußgeld und einem Monat Fahrverbot zu Buche. Härtere Strafen gab es, wenn die Gerichte eine fahrlässige Tötung oder vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung feststellten. Gemessen an den Folgen der Rennen sind das indes lächerliche Sanktionen.

Dabei ist das Problem gar nicht neu. Unfälle vergleichbar dem in Berlin gibt es seit Jahren. Die Möglichkeit, sich in Internetkanälen öffentlich mit den Rennen aufzuspielen, hat dem pubertären Treiben noch einmal neuen Schwung gegeben. Es wäre also wichtig, hier einen deutlichen Punkt zu setzen und die Rennen nicht nur zu unterbinden, sondern auch hart zu bestrafen.

Seit vergangenem Herbst gibt es einen Vorschlag der Länder, das Recht entsprechend zu verschärfen. Jetzt wäre der Bundestag an der Reihe. Der scheint jedoch keine Eile zu haben. Das Vorhaben wird derzeit in den Ministerien bearbeitet. Rechtliche Probleme, lautet die Antwort auf die Frage nach dem Stand der Dinge. Das bestehende Recht genüge vollkommen, heißt eine andere.

Kann es sein, dass es den Juristen im Verkehrsministerium schwerfällt, das Rasen in den Städten von dem nicht minder gefährlichen Rasen auf der Autobahn sauber zu trennen? Die heilige Kuh, Fahren ohne Tempolimit, könnte bei einer Neuregelung in Gefahr geraten.

Wenn der Gesetzgeber sich entschließt, die Sache anzugehen, dann sollte er auch gleich den zivilrechtlichen Teil anpacken. Der ist nämlich mindestens so renovierungsbedürftig wie der strafrechtliche Aspekt. Wer bei einem Raserunfall zu Schaden kommt, bleibt auf den bisweilen enormen Kosten einfach sitzen. Im Regelfall zahlt die Haftpflicht des Verursachers nämlich nicht. Dann muss der Raser persönlich in Anspruch genommen werden. Angesichts von horrenden Behandlungskosten oder Rentenzahlungen oft ein aussichtsloses Unterfangen. Auch hier braucht es bessere Regeln, die den Betroffenen helfen. Wenn am Ende eines Verfahrens nur das unschuldige Opfer mit dem Schaden allein bleibt, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht.

Ob das Berliner Urteil in der Revision Bestand hat, muss sich zeigen. Es bringt in jedem Fall eine notwendige Debatte in Gang.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort