Denunziantentum oder Sorgfalt? Protest gegen AfD-Seiten zur Meldung von Lehrer-Äußerungen

Stuttgart/Berlin · Denunziantentum oder Sorge um die Neutralität? Bei der AfD können Schüler online Lehrer melden, die sich politisch äußern. Die Aufregung ist groß.

 Die AfD will in mehreren Bundesländern Meldeplattformen gegen Lehrkräfte einrichten, die gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und sich kritisch über die Partei äußern.

Die AfD will in mehreren Bundesländern Meldeplattformen gegen Lehrkräfte einrichten, die gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und sich kritisch über die Partei äußern.

Foto: Christophe Gateau

Die AfD ruft mit Online-Portalen, auf denen Schüler politische Äußerungen von Lehrern melden können, wachsenden Protest hervor.

Wie bereits in Hamburg geschehen, will die AfD in mehreren Bundesländern Meldeplattformen gegen Lehrkräfte einrichten, die gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und sich kritisch über die Partei äußern.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kritisierte am Dienstag in Stuttgart: "Jetzt wird sozusagen offenes Denunziantentum organisiert." Er sprach von "Bausteinen ins Totalitäre".

Laut den Zeitungen der Funke Mediengruppe gibt es nach der Aktion der Hamburger Bürgerschaftsfraktion in neun Ländern Pläne oder Überlegungen, eine entsprechende Seite einzurichten: in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Auf der Seite "Neutrale Schulen Hamburg", die im September online ging, können Nutzer der AfD-Fraktion melden, wenn Lehrer oder Schulpersonal ihrer Meinung nach gegen das Neutralitätsgebot verstoßen haben. Die Meldung ist auch anonym möglich.

Am Montag hatte die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag bestätigt, dass auch sie eine solche Plattform einrichten wolle, und damit harsche Reaktionen hervorgerufen. "Das ist eine ekelhafte Gesinnungsschnüffelei, wie man sie noch aus Zeiten der Nazi-Diktatur oder von der Stasi kennt", sagte etwa Kultusminister Christian Piwarz (CDU) der Chemnitzer "Freie Presse".

Scharfe Kritik an den AfD-Plattformen übten in den Funke-Zeitungen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Lehrerverband. "Es passt ins Bild, dass eine Partei, die Andersdenkende ausgrenzen will, jetzt Plattformen schafft, auf denen man Leute mit anderen Meinungen denunzieren kann", sagte Ilka Hoffmann vom GEW-Vorstand.

Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte: "Da sollen Lehrer eingeschüchtert werden, das ist schon eine beängstigende Entwicklung." In Hamburg zeige sich allerdings, dass der Versuch wegen vieler scherzhafter Meldungen nach hinten losgegangen sei. "Von daher sehe ich keine Gefahr, dass der Zweck der Einschüchterung erreicht wird."

Die bayerische AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner Steiner sagte den Funke-Zeitungen: "Ich persönlich finde die Aktion 'Neutrale Schule' richtig und werde mich im Landesvorstand und anderen Gremien dafür einsetzen, so etwas auch in Bayern zu etablieren." Das Ganze solle keinen Denunziations-Charakter haben, sondern vor allem über die Rechtsvorschriften rund um das Neutralitätsgebot informieren.

Auch die AfD im Bundestag verteidigte die Online-Portale. "Das hat mit Denunzierung gar nichts zu tun", sagte der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann. Die Mehrheit der Journalisten sei links oder links-grün eingestellt. "An Schulen dürfte das ähnlich sein." Die AfD habe auch bereits Hinweise darauf, dass Lehrer sich aufgerufen fühlten, ihre politische Sicht auf die AfD in der Schule zu thematisieren. Zum Teil würden dabei "ganz harsche Bilder der AfD gezeichnet, als radikal, unmenschlich, kalt", sagte Baumann, der dem Hamburger Landesverband angehört.

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