Reform der Ausbildung Pfelgereform soll Fachkräftemangel begegnen

Zunächst hat die Koalition die Leistungen für Pflegebedürftige erhöht. Nun setzt sie mit der Reform der Ausbildung auf eine Aufwertung des Berufs. Ziel ist es, dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Fragen und Antworten.

 Praxisnahe Übung: Eine Pflegeschülerin am Fachseminar für Altenpflege der Diakonie in Minden mit einer Demonstrationspuppe.

Praxisnahe Übung: Eine Pflegeschülerin am Fachseminar für Altenpflege der Diakonie in Minden mit einer Demonstrationspuppe.

Foto: epd

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag den letzten Baustein einer weitreichenden Reform der Pflege mit großer Mehrheit beschlossen. Künftig sollen alle Menschen, die in den Pflegeberuf wollen, zunächst die gleiche Ausbildung absolvieren. Damit will der Gesetzgeber das Pflegen attraktiver machen und besser auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform:

Was ändert sich durch das neue Pflegeberufegesetz?

Bisher durchlaufen Pfleger für Kranke, für ältere Menschen und für Kinder unterschiedliche Ausbildungen, die auch sehr unterschiedlich entlohnt werden. Am schlechtesten bezahlt sind bislang die Altenpfleger. Künftig sollen alle Pflegekräfte eine zweijährige gemeinsame Ausbildung absolvieren und anschließend im dritten Ausbildungsjahr die allgemeine Ausbildung fortführen – oder sich auf Kinder- oder Altenpflege spezialisieren.

Durch die gemeinsame Ausbildung soll erreicht werden, dass Krankenpfleger besser auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingehen können und Altenpfleger auch Wissen in der Krankenpflege haben. Das Schulgeld, das teilweise in der Pflegeausbildung noch gezahlt werden musste, entfällt künftig.

Der erste Ausbildungsjahrgang soll im Jahr 2020 starten. Umschulungen in den Pflegeberuf sollen künftig vom Arbeitsamt dauerhaft gefördert und bezahlt werden. Auch der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.

Warum sind Änderungen notwendig geworden?

Immer mehr Menschen in Deutschland werden immer älter. Damit wächst auch die Zahl derjenigen, die im Alter Hilfe und Pflege benötigen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Zahl der heute rund 2,8 Millionen Pflegebedürftigen bis 2030 auf 3,5 Millionen Menschen ansteigt. Um sie zu versorgen, braucht man künftig mehr Personal in der Pflege. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Pfleger zwar schon mehr als verdoppelt worden. Laut Statistischem Bundesamt fehlen aber bis 2025 weitere 200 000 Pflegekräfte.

Was haben die Patienten von der Reform?

Sie sollen künftig davon profitieren, dass genügend gut geschultes Personal sich um sie kümmert und auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse eingeht. Ein Beispiel, das die alternde Gesellschaft mit sich bringt: Oft kümmern sich heute Krankenpfleger im Krankenhaus um Menschen, die auch an altersbedingten Erkrankungen wie etwa Demenz leiden. Bisher sind sie im Umgang mit diesen Patienten nicht geschult. Das soll sich durch die generalisierte Ausbildung für alle Pflegekräfte in den ersten zwei Ausbildungsjahren ändern.

Wird Pflege jetzt teurer?

Das ist umstritten. Um die gesamte Pflegereform der großen Koalition in dieser Legislaturperiode zu finanzieren, wurde der Pflegebeitrag um 0,5 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent erhöht. Damit fließen jetzt jährlich fünf Milliarden Euro mehr in die Pflegekasse.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel stellt jedoch klar: „Die Pflege ist anders als die Krankenversicherung nur eine Teilkaskoversicherung. Mehr Personal und höhere Löhne müssen am Ende von den Pflegebedürftigen bezahlt werden.“ Die Pflegeeinrichtungen müssten konkurrenzfähig sein gegenüber osteuropäischen Hilfskräften.

Wie das neue Gesetz genau umgesetzt wird, müsste in der nächsten Wahlperiode weiter beobachtet werden. Die Linken-Abgeordnete Pia Zimmermann kritisierte, dass die Reform die Pflegeausbildung unübersichtlicher mache. Die Grünen sehen die Reform ebenfalls nicht als „Allheilmittel“ gegen den Mangel an Pflegekräften.

Was halten die Experten aus der Praxis von der Reform?

Nach jahrelangem, teils heftigem Streit um das neue Gesetz gaben sich die Fachleute zunächst erleichtert, dass es nun überhaupt noch zu einem Kompromiss kam. Dennoch übten sie Kritik an der Reform. „Attraktiv wird der Pflegeberuf nicht allein dadurch, dass es eine einheitliche Ausbildung oder mehr Akademiker gibt“, betonte Eugen Brysch, Chef der Stiftung für Patientenschutz. Pflegekräfte müssten demnach in der Praxis je nach Qualifikation mehr Verantwortung erhalten.

„Oft wissen sie besser als jeder Arzt, welches Hilfsmittel oder welche Behandlungspflege gebraucht wird“, sagte Brysch. Dazu sage das Gesetz jedoch nichts. Auch An-dreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats, sieht bei aller Freude über die künftig generalistische Ausbildung Mängel. „Ich bin tief enttäuscht darüber, dass das Gesetz erst 2020 in Kraft treten soll“, sagte der Verbandschef. Bis dahin könne er jungen Menschen kaum glaubhaft vermitteln, dass es sich jetzt lohnt, eine Pflegeausbildung zu beginnen. Schließlich sei diese dann nach kurzer Zeit veraltet.

Was ist bereits geändert worden?

Kern der Pflegereform, die die große Koalition bereits im vergangenen Jahr verabschiedet hat, ist eine neue Definition von Pflegebedürftigkeit. Was bürokratisch klingt, soll die Pflege im Alltag viel stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen ausrichten. Eine halbe Million Menschen mehr als zuvor profitieren deshalb heute von Leistungen aus der Pflegekasse.

Vorher galt nur als pflegebedürftig, wer körperliche Gebrechen hatte. Heute bemisst sich der Pflegegrad und das davon abhängige Pflegegeld daran, inwiefern jemand noch in der Lage ist, seinen Alltag selbstständig zu bewältigen.

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