Papier kritisiert Losverfahren bei NSU-Prozess

Berlin/Köln · Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat das Oberlandesgericht München wegen der Vergabe der Presseplätze im NSU-Prozess kritisiert.

Das nun angewandte Losverfahren sei zwar juristisch unanfechtbar, sagte er der Zeitung "Die Welt". Es könne aber "gleichwohl nicht befriedigen". Papier sprach von "Merkwürdigkeiten", die in der Natur des Losens lägen.

Der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der beim NSU-Prozess in München zwei Opferfamilien vertritt, äußerte ebenfalls Unverständnis über das jüngste Akkreditierungsverfahren. "Das Ergebnis ist absolut unbefriedigend", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch). "Man sollte meinen, dass ein Gericht im 21. Jahrhundert, insbesondere bei einem Prozess wie diesem, über ein Minimum an Medienkompetenz verfügt."

Der Staatsrechtslehrer Papier plädierte dafür, die Möglichkeit einer Videoübertragung zu nutzen. "Ich persönlich hätte die Pressebank deshalb von vornherein dergestalt erweitert, dass ich eine Videoübertragung in einen Nachbarraum für die akkreditierten Journalisten eröffnet hätte", sagte Papier.

Für ein so außergewöhnliches Verfahren seien die gesetzlichen Vorschriften über das Verbot von Fernseh- und Tonaufnahmen aus der Hauptverhandlung nach Sinn und Zweck zu interpretieren. "Und dabei hätte man nach meiner Auffassung zu dem Ergebnis kommen können, dass eine solche begrenzte Übertragung innerhalb des Gerichts ohne Aufzeichnungsmöglichkeit möglich ist."

Die Chancen, eine Videoübertragung in Karlsruhe einzuklagen, schätzt Papier allerdings als gering ein. "Nach meiner Auffassung ist eine solche Übertragung kein zwingendes rechtliches Gebot. Sie wäre aber eine Frage der pragmatischen Klugheit."

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