Kommentar zum EZB-Urteil Nur Zeit gekauft

Meinung | Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht ist seiner Linie treu geblieben. Die Richter haben grünes Licht für die umstrittenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) gegeben. Damit wird die gute Tradition aufrecht erhalten, dass Karlsruhe Europa nicht dazwischen grätscht. Alles andere würde die Nöte der ohnehin bedrängten Anhänger der europäischen Idee nur vergrößern.

 Blickfang am Main: Die Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.

Blickfang am Main: Die Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.

Foto: dpa

Das Störfeuer ist immens. Wenn nun zu Referenden, die von EU-Gegnern gekapert werden, dem Trend zum Egotrip bei immer mehr Regierungen in den Mitgliedsländern nun auch noch Urteile der nationalen Gerichtsbarkeit mit Folgen für Brüssel kommen, dann drohte dem europäischen Tanker Manövrierunfähigkeit. Hinterher würden die Feinde der EU sich bestätigt fühlen.

Mit dem Urteil deutet sich zudem an, dass Karlsruhe bei etlichen weiteren anhängigen Klagen, die sich gegen ähnliche Stützungsmaßnahmen der EZB in der Staatsschuldenkrise richten, auch nicht die Notbremse ziehen wird. Im Fall der verhandelten Anleihekäufe (OMT) wäre ein negatives Urteil aus Karlsruhe noch aus rein praktischen Erwägungen fatal gewesen: Das umstrittene Programm, das EZB-Chef Mario Draghi 2012 aufgelegt hat, um bei stetig steigenden Risikoaufschlägen Italien und Spanien aus der Schusslinie der Investoren zu ziehen, wurde nie aktiviert. Die bloße Drohung reichte aus, um die Märkte zu beruhigen. Ein „Nein“ aus Karlsruhe hätte also politisch viel Porzellan zerschlagen, aber faktisch keine Auswirkungen gehabt.

Dabei werden in der Sache auch juristische Laien zu der Einschätzung kommen, dass die EZB sehr wohl in einem Graubereich unterwegs ist. Der massive Kauf von Staatsanleihen gehört ebenso dazu wie der Kauf von Unternehmensanleihen. Die Währungshüter setzen die volle Palette ihres Instrumentenkastens ein, um die mal schwelende mal akut lodernde Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Dabei kann Zuschauern mulmig werden. Niemand kann derzeit absehen, ob das Experiment gut geht und eine glimpfliche Landung nach der Niedrigzinspolitik gelingt.

Klar ist aber, dass sich die EZB in diese Extrembereiche nur vorwagt, weil einige nationale Regierungen versagt haben und aus eigener Kraft ihre Haushaltsprobleme nicht lösen konnten. Diese sollten nun die Zeit des billigen Geldes nutzen, um ihre Haushalte in den Griff zu bekommen und Maßnahmen zu ergreifen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Hier sieht die Bilanz aber immer noch bescheiden aus.

Nicht alle Länder haben sich berappelt wie etwa Irland, andere geben immer noch zu größter Sorge Anlass. Darunter ist auch Frankreich, wo derzeit alle EU-Augen zugedrückt werden. Diese Nachlässigkeit wird sich rächen, die EZB hat der Politik lediglich Zeit gekauft. Bei weiterer Untätigkeit wird die Staatsschuldenkrise der Euro-Zone wieder auf die Füße fallen.

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