Sicherheitskonferenz in München Nur ein kleiner Hoffnungsschimmer

MÜNCHEN · Nach der Einigung der Syrien-Kontaktgruppe auf eine Feuerpause für das Bürgerkriegsland bleibt Skepsis über die Umsetzung.

 Strahlender Optimismus sieht anders aus: Russlands Außenminister Sergej Lawrow, US-Außenminister John Kerry und der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura in München (von links).

Strahlender Optimismus sieht anders aus: Russlands Außenminister Sergej Lawrow, US-Außenminister John Kerry und der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura in München (von links).

Foto: dpa

Es zieht sich. Es dauert. Es geht um viel. Mitternacht ist inzwischen vorbei und die 17 Außenminister der Syrien-Kontaktgruppe, darunter bedeutende Regionalmächte wie Iran und Saudi-Arabien sowie Vertreter von Vereinten Nationen, Europäischer Union und Arabischer Liga, verhandeln noch immer. Ein gutes Zeichen? Wann hebt sich in dieser syrischen Tragödie endlich der schwere Vorhang und die teils heillos verfeindeten Akteure versuchen sich endlich an einem Schlussakt für Frieden?

Vielleicht wird dieser Abend von München später einmal als Treffen gedeutet, von dem ein entscheidender Impuls für Frieden in einem Bürgerkriegsland mit bislang 260.000 Toten ausging. Vielleicht, denn in diesem Krieg agieren zu viele Kräfte, Mächte und Terror)Milizen, greifen zu viele unterschiedliche Interessen, als dass ein einziges Treffen eine solche Wende schaffen könnte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird deswegen später auch nur von „Zwischenzielen“ sprechen, die erreicht worden seien.

Das große Ziel dieser Münchner Syrien-Konferenz: eine Waffenruhe, in deren Folge die Friedensgespräche von Genf wieder in Gang kommen sollen, die syrische Opposition und Vertreter des Regimes von Baschar al-Assad an einen Tisch bringt. Doch vorher müssen „neue Ideen“, wie sie Russlands Außenminister Sergej Lawrow zunächst den USA in diesem russisch-amerikanischen Stellvertreterkrieg in Syrien hat unterbreiten lassen, gewendet, gedreht und durchleuchtet werden.

Einen Abend, bevor sich die Welt der Sicherheits- und Verteidigungskonferenz für drei Tage zur 52. Münchner Sicherheitspolitik trifft, haben US-Außenminister John Kerry und sein russischer Counterpart Lawrow die Kollegen des sogenannten „Wiener Formats“ zur Syrien-Konferenz in der bayerischen Landeshauptstadt zusammengetrommelt.

Neue Ideen? Es kann kaum die unheilvolle Vision eines „neuen Weltkriegs“ sein, die Russlands Ministerpräsident Dimitri Medwedew vor dieser Syrien-Konferenz und der folgenden Sicherheitskonferenz skizziert hat. „Alle Seiten müssten gezwungen werden, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, anstatt einen neuen Weltkrieg auszulösen“, so Medwedew.

Nach sechs Stunden Verhandlung endlich können Kerry, Lawrow und der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, um 0:44 Uhr am frühen Freitagmorgen eine Art Durchbruch verkünden. Binnen einer Woche soll eine Waffenruhe gelten und für die Menschen in bis zu 15 eingeschlossenen Gebieten und Städten, darunter die einstige Wirtschaftsmetropole Aleppo, sollen humanitäre Zugänge geschaffen werden.

Wenn es wirklich so käme, hätte sich die Nacht von München gelohnt. Doch auch Chefdiplomaten behalten aus Erfahrung ihre Skepsis. Steinmeier sagt beispielsweise: „Ob das ein Durchbruch war, werden wir erst in einigen Tagen feststellen können.“ Auch Kerry äußert sich nur bedingt zuversichtlich: „Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht.“ Die eigentliche Bewährungsprobe aber werde sein, „ob sich alle Mitglieder der Gruppe in der Realität an die Verpflichtungen halten“.

Alle Mitglieder der Gruppe? Natürlich ist Russland gemeint. Lawrow sagte zu der verabredeten Feuerpause in knapp acht Tagen: „Das ist eine komplizierte Aufgabe.“ Es gebe zu viele Kräfte, die an militärischen Aktionen beteiligt seien. Kerry, Steinmeier, de Mistura oder auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wissen: In nur einer Woche können russische Kampfjets auf dem Schlachtfeld weiter Fakten zugunsten der Regierungstruppen von Machthaber Assad geschaffen haben.

Immerhin hat die Nachtsitzung von München ergeben, dass Russlands Vorschlag einer Waffenruhe erst in drei Wochen erledigt ist. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird später sagen: „Wer wirklich Frieden will, hat keinen Grund, wochenlang zu warten.“

Auch Stoltenberg betont nach den leidvollen Erfahrungen mit einer Waffenruhe in der Ostukraine, die vor einem Jahr verabredet worden war und seitdem immer wieder gebrochen wird: „Waffenstillstand wird nicht immer respektiert.“ Es gehe darum, die Verabredungen von München „nun auch auf die Wirklichkeit auf dem Boden zu übertragen“.

Verteidigungsministerin von der Leyen sagt es so: „Jetzt ist die Chance. (…) Der Beweis muss jetzt angetreten werden. Und das ist der humanitäre Zugang zu den eingeschlossenen Menschen – und zwar sofort.“ Wenn Waffenruhe, dann müsse sich diese umgehend in den Straßen von Aleppo zeigen. Von der Leyen hat dann noch einen Plan. Sie will die Bundeswehr gewissermaßen als Ausbildungsbetrieb für Syrer in Deutschland bereitstellen.

Eines Tages, wenn es nach einem Waffenstillstand hoffentlich Frieden gebe, würden viele Syrer wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Bundeswehr mit ihren mehr als 100 Ausbildungsberufen könnte dazu „Starthilfe in die Zukunft“ mitgeben: mit einer Ausbildung vom Elektriker bis zum Feuerwehrmann oder vom Logistiker bis zum Verwaltungsexperten. Sehr viel später könnte die Bundeswehr auch syrisches Militär ausbilden. Aber dazu bräuchte es eine Voraussetzung: Frieden und eine „anerkannte und legitime neue syrische Regierung“.

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