Ein Tag im Wahlkampf des Spitzenkandidaten NRW-Landtagswahl: Christian Lindler von der FDP

NRW · Christian Lindner geht für die FDP als Spitzenkandidat in die NRW-Landtagswahl. Wir haben ihn einen Tag lang im Wahlkampf begleitet.

 Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner.

Foto: dpa

In diesen Wochen kommt Christian Lindner ziemlich farblos daher. Auf Plakaten, in Fernsehspots oder im Netz wirbt der FDP-Spitzenkandidat mit Schwarz-Weiß-Bildern. „Wir wollten keine gestellten Wahlkampfporträts, sondern authentische Fotos, die ihn im Alltag zeigen“, sagt Kampagnenleiter Johannes Vogel bei der Vorstellung eines Plakats am Düsseldorfer Rheinufer. Diesmal steht Lindner vor Studenten. Dazu der Spruch: In NRW steckt so viel. Lassen wir es frei. „Wir wollen mit einer optimistischen Botschaft in die letzten Tage vor der Wahl gehen“, sagt Lindner. Politisch will er alles andere als farblos rüberkommen.

Fünf Jahre dauert die Wahlperiode. Wenn es aber nach dem 38-Jährigen geht, ist seine Zeit im Land schon in vier Monaten zu Ende. Nämlich dann, wenn er seine Partei in den Bundestag geführt haben will. So vergeht kein Interview, in dem er nicht danach gefragt wird, wie glaubwürdig denn seine Kandidatur in NRW überhaupt sei.

Auch an diesem Tag im RTL-Studio in Köln. Die Wähler erzielten mit der Stimme für die FDP einen doppelten Effekt, antwortet der Bundes- und Landesparteichef, sie stärkten die Partei in NRW und gäben Rückenwind für die Bundestagswahl. Der Interviewer spricht von einer One-Man-Show des Christian Lindner. Keineswegs, er sei ja nur einer von 15 000 Parteimitgliedern, kokettiert er – und bringt gleich zweimal den Namen Joachim Stamp unter, „den schärfsten Kontrahenten von Innenminister Jäger“. Der Bonner soll die NRW-FDP führen, wenn Lindner nach der Bundestagswahl seine Ämter in Düsseldorf aufgibt. Doch bis dahin will der Kandidat für vier Monate noch im Land mitmischen.

„Ich tippe auf eine große Koalition“, sagt er zwar. Aber Lindner wäre kein guter Parteichef, wenn er nicht doch eine Regierungsoption in Erwägung zöge. „Ich halte Schwarz-Gelb für denkbar“, sagt er in einem Interview. Dafür müssten CDU und FDP aber noch zulegen.

Vielleicht ginge ja auch Sozialliberal. Da könnte es von Vorteil sein, wenn Lindner nicht mehr dabei wäre, ist er doch für Hannelore Kraft so etwas wie das personifizierte Böse im Parlament. Der „Spiegel“ schrieb jüngst, dass die Ministerpräsidentin ihn als hochnäsig, anmaßend und dumm empfinde. Lindner selbst ist auch nicht zimperlich, lässt den Slogan plakatieren „Grün-Rote Wirtschaftspolitik: Das andere Wort für Sabotage“, spricht davon, dass Menschen vorsätzlich Chancen vorenthalten würden, und nennt Kraft „eine schlechte Managerin des Landes“. Doch so eloquent der FDP-Chef Fragen der Medien beantwortet oder vor großem Publikum in freier Rede Vorträge hält, so kurios wirkt manch anderer Auftritt.

So steht Lindner im eleganten blauen Anzug – perfekt für das Fernsehinterview, doch hier fehl am Platz – auf dem Gelände des Betriebskindergartens des Pharmaunternehmens UCB in Monheim vor der Weide von Bläcky und Stina. Streicheln dürfe er die Ziegen aber nicht, denn sie hätten Läuse, wird ihm bedeutet. Dann geht es zu den Gruppenräumen. Dort könne er nicht rein, weil gebaut werde, heißt es, die Kinder seien ohnehin nicht da. Zum Schluss noch ein Gespräch mit Führungskräften. Doch auch das will nicht so recht in Gang kommen. „Helfen Sie uns, das schlechte Image der Pharmaindustrie zu verbessern“, bittet Geschäftsführer Peter Mitterhofer. „Schreiben Sie mir mal auf, wo Ihre größten Probleme bestehen“, sagt Lindner. Vielleicht könne er ja etwas für das Unternehmen tun.

Am Abend steht der Kandidat auf einer Bühne vor dem Aachener Rathaus. Viele der 500 Bürger klatschen laut, als er gleich zu Beginn die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann angreift. „Das Digitalste bei uns sind die Pausen“, denn da griffen die Schüler zu ihren Smartphones. Der Blick auf die Schulpolitik sei „wie der in einen Altglascontainer, ein einziger grüner Scherbenhaufen“, polemisiert er. Doch das bekommen viele Besucher schon nicht mehr mit, weil sie sich wegen des heftigen Regens, der kurz nach Beginn von Lindners Rede eingesetzt hat, in die Geschäfte und Kneipen verzogen haben.

Fabian Mausbeck ist geblieben. Der 20-jährige Student des Wirtschaftsingenieurwesens hat sich einen der von den Jungen Liberalen verteilten gelben Ponchos übergeworfen und trotzt den Wassermassen. „Lindner ist ein sympathischer Typ“, sagt er und auch die Inhalte könne er unterschreiben. Auch die Wiedereinführung der Studiengebühren? „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir dann bessere Bedingungen hätten. Irgendwo muss das Geld ja herkommen“, sagt Mausbeck und reiht sich in die Schlange jener Dutzenden meist junger Leute ein, die sich mit Lindner fotografieren lassen wollen. Fast wie ein Popstar steht er da auf der Bühne.

Nicht weit vom Rathaus hat Lindner im Karneval den Song „Hurra, wir leben noch“ gesungen. Ob die FDP auch Ende des Jahres noch lebt, entscheidet sich allerdings nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern bei der Bundestagswahl im September. Deshalb ist der Wahlkampf hier schon der Aufgalopp für jenen im Bund. Dort will Lindner dann aber ein Kandidat für mehr als vier Monate sein.

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